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Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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aber sein.
    „Könnte ich bitte die Berichte einsehen? Bilder verraten einem nicht alles“, wandte sie sich an den Mann, der genau hinter ihr saß und sich halb zu ihr umgedreht hatte. Sie sah deutlich die Enttäuschung in seinen Augen, weil sie nicht heulend auf die nächste Toilette gerannt war. Natürlich ging ihr der Anblick an die Nieren, aber wenn sie hier die Nerven verlor, würde das niemandem helfen und nach der Sache draußen im Hafen, würde sie so schnell nichts mehr schocken. Dachte sie zumindest.
    „Was möchten Sie denn wissen, Miss… Kiss?“, wurde sie mit einem unbewegten Gesicht gefragt, obwohl sie genau wusste, dass der Mann sie gern geringschätzig angegrinst hätte. Ihr Name eröffnete ja so viel Raum für… Fantasien, um es nett auszudrücken.
    „Oh, beginnen würde ich mit dem genauen Todestag, hier an der Wand befinden sich die Daten der Auffindung der Leichen. Dann finde ich dem Bericht der Spurensicherung sicher Hinweise darauf, ob der Tatort mit dem Fundort der Leichen übereinstimmt, was ich bezweifle, obwohl ich das nicht auf das fehlende Blutlachen um die Opfer schieben würde.“
    Nun hatte sie die gesamte Aufmerksamkeit der Männer, die sich gerade auf ihren Stühlen aufrichteten und ihre Krawatten zurechtrückten, die sie bestimmt aufgrund der Wärme und auch zum Zeichen, dass sie keinen hohen Besuch erwarteten, gelockert hatten. Solche Mühe mit dem Äußeren gab man sich hier nur für den ehrenwerten Inspector.
    „Und ich würde gerne wissen, wie schlimm die Verletzungen der Genitalgegend ausgehen haben. Und welche… Waffe dafür benutzt wurde“, beendete Romy ihren kleinen Vortrag, ohne mit der Wimper zu zucken, als sie das pikante Detail erwähnte, das nicht auf den Bildern zu erkennen gewesen war.
    Dieses Foto würde sie in der Akte finden, weil man verhindern wollte, dass diese Einzelheit an die Öffentlichkeit drang. Es wäre das gefundene Fressen für die sensationsgeile Presse. Romy drehte es einfach den Magen um. Die Vorstellung war einfach… Romy unterdrückte ein Hochziehen der Schultern, das nur verraten hätte, das eisige Schauer ihren Rücken hinunter rannen.
    „Wie sind Sie darauf gekommen?“, fragte einer der Detectives recht argwöhnisch.
    „Keine Ahnung, es war so ein Gefühl. Es muss ja einen Grund haben, warum auf keinem der Bilder dieser Teil der Anatomie zu sehen ist, obwohl die Frauen nur noch knapp bekleidet waren. Keine Sorge, ich habe eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet. Ich habe nicht vor, Ihre Untersuchung zu gefährden. Auch wenn ich die Polizeikarriere nicht weiter verfolgt habe, heißt das nicht, dass mir gewisse Zusammenhänge nicht klar sind.“
    Die Kehlen der meisten Opfer waren übel zerfetzt, doch auf einem Bild konnte man gerade noch so erkennen, dass da jemand ordentlich zugebissen hatte. Zudem sahen die Frauen geradezu blutleer aus, so dass in Romy ein Verdacht aufgestiegen war, womit sie es hier zu tun haben könnte. Es war ihr nicht schwer gefallen, eins und eins zusammen zu zählen, weil sie eben die richtigen Zahlen zur Hand hatte, die den Männern hier fehlten.
    „Würden Sie mir nun Einsicht in die Berichte gewähren?“, fragte sie und streckte die Hand demonstrativ aus.
    Sie übernahm das dicke Bündel und begab sich auf ihren Platz, um die Zeit bis zum Auftauchen des hohen Tieres sinnvoll zu nutzen. Sie wollte schließlich mitreden können und dazu brauchte sie die Fakten.

    ° ° °
    Romy war dermaßen in die Akten vertieft, dass sie nicht bemerkte, wie die Männer im Raum sich erneut in Positur warfen, da die Tür zu ihrem kuscheligen Séparée lautlos geöffnet wurde. Bisher hatte sie darauf verzichtet, ihre Fähigkeiten einzusetzen, da sie nicht wusste, wie zuverlässig sie während der Affectio funktionieren würden. Und zudem hatte sie gerade erst eine ziemlich heftige Erfahrung hinter sich gebracht. Allerdings wusste sie nicht, ob ihr genug Zeit zum Zaudern blieb. Ihre Hand schwebte unschlüssig über dem Gesicht einer strahlend lächelnden jungen Frau, die gerade mal so alt wie Bekky war. Man hatte sie einfach abgeschlachtet wie ein Stück Vieh. Romy spürte ein leises Aufflackern von Wut und schloss kurz die Augen, weil sie auf keinen Fall riskieren konnte, Dinge zu lesen, wenn sie dabei Zuschauer hatte, die das rote Aufglühen ihrer Augen bemerken könnten. Natürlich könnte sie ihre Wahrnehmung manipulieren, doch das war nicht ihre besondere Stärke, sie wollte dabei keine Fehler machen. Man konnte

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