Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
bevor das ganze Gebäude in die Luft fliegt!«
    »Ich kann nicht. Ich muß Joe finden!«
    Die Flut kam herein. Fiona lief ins dunkle Wasser unter die Stützpfeiler und rief nach Joe. Sie lief weiter und weiter und wurde von den Wellen gegen die hohen Stützen gedrückt. Verzweifelt versuchte sie, ans östliche Ende des Kais zu gelangen, wo rechts neben dem Dock ein Stück Ufer war. Wenn Joe den Kai verfehlt hatte und ins Wasser gefallen war, hätte er vielleicht eine Chance. Als sie sich schließlich unter den Pfeilern herausgekämpft hatte und knietief im strudelnden Fluß stand, entdeckte sie auf dem schlammigen Ufer, halb im Wasser liegend, eine bewegungslose Gestalt mit seltsam verdrehten Beinen.
    »Joe!« keuchte sie. »O nein … bitte nicht!«
    Joe stöhnte und rappelte sich hoch. Fiona lief zu ihm hin. Schluchzend küßte sie sein Gesicht. »Geht’s dir gut? Bitte sag, daß es dir gutgeht!«
    »Alles in Ordnung, glaube ich. Abgesehen von meinem Bein. Das hab ich mir beim Herunterfallen am Kairand angeschlagen. Direkt unterm Knie. Ich kann’s nicht bewegen.«
    »Was ist mit Burton?« fragte Fiona und sah sich ängstlich um.
    »Ich weiß es nicht. Er war nicht da, als ich mich aus dem Wasser geschleppt hab. Ich glaub, er ist auf den Kai geschlagen.« Joe versuchte, sich weiter aufs Ufer hinaufzuziehen, fiel aber, von Schmerzen gepeinigt, wieder in den Schlamm zurück. Fiona sah, daß er aschfahl geworden und seine Haut mit Schweiß bedeckt war, obwohl er vor Kälte zitterte.
    »Bleib liegen«, sagte sie. »Ich hol dich hier raus.«
    Aber wie? fragte sie sich verzweifelt. Jede Sekunde stieg die Flut weiter an. Sie hatten fünf, vielleicht zehn Minuten, bevor die Schlammbank überflutet war. Zu den Old Stairs konnten sie nicht zurück, und weiter unten gab es nur die hohen glatten Mauern der tückischen Wapping Entrance, einer Einfahrt zu den Docks. Draußen auf dem Fluß konnte sie Schleppkähne sehen, aber die waren alle im Strom vertäut, zu weit entfernt, um von Nutzen zu sein. Der einzige andere Ausgang waren die Wapping New Stairs, aber die befanden sich zu weit östlich von hier. Zwischen Oliver’s und den New Stairs gab es ein halbes Dutzend großer Lagerhäuser, die aber alle dicht aneinandergebaut waren, ohne Gassen dazwischen. Bis sie zu den New Stairs käme und Hilfe holte, wäre es zu spät, dann wäre die Flut bereits hereingekommen. Außerdem drohte immer noch Gefahr von Oliver’s selbst. Eine weitere Explosion könnte das ganze Lagerhaus in die Luft fliegen lassen. Fiona wurde klar, daß sie Joe ins Wasser ziehen mußte. Die New Stairs waren die einzige Möglichkeit zu entkommen.
    Sie erklärte ihm ihren Plan. »Kannst du ein paar Latten oder Stöcke auftreiben?« fragte er. »Um mein Bein zu schienen?«
    Fiona lief zum Orient Wharf und suchte verzweifelt nach Holzstücken. Sie fand den Teil einer Teekiste und ein Stück Treibholz. Das mußte reichen. Dann rannte sie zu Joe zurück und kniete neben ihm nieder. Als sie ein Stück Stoff von ihrem Rock abriß, um die Schiene zu befestigen, schnellte plötzlich Joes Kopf nach oben. Seine Augen waren angstvoll aufgerissen.
    »Fiona, paß auf!« rief er und stieß sie weg.
    Als sie zur Seite stürzte, spürte sie, wie etwas an ihrer Wange vorbeisauste.
    »Lauf, Fiona, lauf! Hau ab!« rief Joe.
    Sie rappelte sich hoch, spürte brennenden Schmerz auf ihrer Schulter, drehte sich um und sah William Burton, der blutüberströmt und taumelnd mit dem Messer in der Hand nach ihr ausholte. Sie schrie auf und wich zurück, gleichzeitig spürte sie heißes Blut über ihren Rücken laufen. Er kam immer näher, trieb sie Richtung Old Stairs zurück, weg vom Orient Wharf, weg vom Fluß und aller Hoffnung auf Rettung.
    »Laß sie in Ruhe, Burton!« schrie Joe und versuchte, sich aufzurichten und zu ihr zu kommen.
    Burton holte erneut gegen sie aus und trieb sie grinsend weiter, weiter von Joe weg.
    »Hilfe! Hilfe!« schrie Fiona.
    »Ich hab dich überall gesucht. Es gab so viele wie dich, alles Huren«, sagte er.
    Noch immer zurückweichend, stieß sie gegen die Mauer der Wapping Entrance. Es gab keinen Ausweg mehr. Jetzt war alles vorbei. Er würde sie töten. Sie drehte sich um und versuchte verzweifelt, die Wand hinaufzuklettern, dann griff sie nach unten, packte Steine und Hände voller Schlamm, die sie blindlings auf ihn warf. »Mörder!« schluchzte sie.
    Seine seltsame Litanei murmelnd, kam Burton immer näher. »Polly, Dark Annie, Long Liz. Catherine mit

Weitere Kostenlose Bücher