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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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zwischen Kisten und Kästen und hoch aufgetürmten Paletten hin und her gehend, waren Händler – energische, herrische Männer, die aus der City herbeieilten, um sofort, nachdem ihre Schiffe angekommen waren, ihre Waren zu begutachten. Sie kamen in Kutschen, trugen Spazierstöcke und ließen mit feinen, weißen Händen goldene Uhren aufspringen. Sie trugen Zylinder und Gehröcke und wurden von Schreibern begleitet, die sich an ihre Fersen hefteten, Rechnungsbücher schleppten und mit gerunzelter Stirn alles überprüften und notierten. Diese Männer waren Alchimisten. Sie bekamen rohe Güter, die sie in Gold verwandelten. Und Fiona sehnte sich danach, zu ihnen zu gehören.
    Es war ihr gleichgültig, daß Mädchen eigentlich nichts mit Geschäften zu tun hatten – vor allem Mädchen aus den Docks nicht, wie ihre Mutter sie immer wieder erinnerte. Mädchen aus den Docks lernten kochen, nähen und den Haushalt führen, damit sie Ehemänner fanden, die zumindest so gut für sie sorgten, wie ihre Väter es getan hatten. »Albernheiten« nannte ihre Mutter ihre Ideen und riet ihr, mehr Zeit darauf zu verwenden, ihre Kochkünste zu verbessern, und weniger Zeit am Fluß zu verbringen. Ihr Vater jedoch hielt ihre Träume nicht für närrisch. »Man muß einen Traum haben, Fee«, sagte er. »An dem Tag, an dem du zu träumen aufhörst, kannst du dich gleich einsargen lassen, dann bist du so gut wie tot.«
    Versunken in den Zauber des Flusses, hörte Fiona die Schritte nicht, die sich oben den Old Stairs näherten. Sie merkte nicht, daß ein junger Mann dort stand und sie lächelnd eine Weile beobachtete, bevor er leise »Ha-llo!« rief.
    Fiona drehte sich um. Ihr Gesicht leuchtete auf, als sie ihn sah, und für ein paar Sekunden verschwand die resolute Entschlossenheit in ihrem Ausdruck – eine Entschlossenheit, die Nachbarsfrauen zu Tratschereien und der Feststellung veranlaßte, daß ein strenges Gesicht auf einen starken Willen schließen lasse. Und ein starker Wille bedeutete Schwierigkeiten. Sie würde nie einen Mann bekommen, sagten sie. Junge Männer schätzten das nicht bei Mädchen.
    Doch diesen jungen Mann schien das nicht zu stören. Genausowenig wie ihn das glänzende schwarze Haar störte, das sich um ihr Gesicht ringelte und über den Rücken hinabfiel. Oder die blitzenden saphirblauen Augen.
    »Du bist früh dran, Joe«, sagte sie lächelnd.
    »Ja«, antwortete er und setzte sich neben sie. »Vater und ich sind in Spitalfields früh fertig geworden. Der Gemüsemann hat eine schlimme Erkältung, also hat er nicht lang rumgefeilscht. Ich hab die nächsten zwei Stunden ganz für mich. »Da«, fügte er hinzu und reichte ihr eine Blume. »Die hab ich auf dem Weg hier rüber gefunden.«
    »Eine Rose!« rief sie aus. »Danke!« Rosen waren eine Kostbarkeit. Es kam nicht oft vor, daß er es sich leisten konnte, ihr eine zu schenken. Sie hielt die dunkelroten Blütenblätter an die Wange und steckte die Blume dann hinters Ohr. »Also, wie hoch ist die Wochenabrechnung? Wieviel haben wir?« fragte sie.
    »Zwölf Pfund, einen Shilling, sechs Pence.«
    »Leg das dazu«, sagte sie und zog eine Münze aus der Tasche, »dann haben wir zwölf und zwei.«
    »Kannst du das entbehren? Ohne wieder das Abendessen ausfallen zu lassen, um Geld zu sparen?«
    »Nein.«
    »Ich mein’s ernst, Fee. Ich werd böse, wenn du …«
    »Ich hab nein gesagt!« beharrte sie brüsk und wechselte das Thema. »Bald haben wir fünfzehn Pfund, dann zwanzig und dann fünfundzwanzig. Wir schaffen es wirklich, nicht?«
    »Na klar. Bei der Geschwindigkeit dauert es noch ein Jahr, und wir haben unsere fünfundzwanzig beisammen. Genug für drei Monate Miete und Ware, um anzufangen.«
    »Ein ganzes Jahr«, wiederholte Fiona. »Das hört sich wie eine Ewigkeit an.«
    »Das geht schnell vorbei, Schatz«, antwortete Joe und drückte ihre Hand. »Nur der Anfang ist schwer. Sechs Monate, nachdem wir unseren ersten Laden aufgemacht haben, haben wir so viel Geld, daß wir den nächsten aufmachen können. Und dann den nächsten, bis wir eine Kette haben. Wenn wir das Geld so spielend zusammenbringen, schaffen wir’s.«
    »Wir werden reich sein!« sagte sie und strahlte erneut.
    Joe lachte. »Nicht gleich. Aber eines Tages schon. Das versprech ich dir, Fee.«
    Fiona zog die Knie an die Brust und lächelte. Ein Jahr war schließlich nicht so lang, sagte sie sich. Vor allem, wenn man bedachte, wie lange sie schon über ihren Laden redeten. Schon seit Ewigkeiten,

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