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Die Teilung des Paradieses

Die Teilung des Paradieses

Titel: Die Teilung des Paradieses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Heidenreich
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Kälte! Verfluchte Dunkelheit! Verfluchte Müdigkeit!
    Ich singe wieder still mit.
    „Goodbye Mary, goodbye Jane, will we ever meet again
Feel no sorrow, feel no shame, come tomorrow, feel no pain.”
    Der Titel nimmt Fahrt auf, wird schneller, bunter...Ich bin wieder schön drin. So sehr, dass ich zuerst den Schatten gar nicht mitbekomme.
    Ich denke zuerst, dass ich durch die Müdigkeit und das ständige Platten-laufen-lassen im Kopf schon zu spinnen anfange. Ich starre auf den Punkt. Nichts. War das vorhin auch schon da? Da dieser Schatten! Ich versuche mit meinen steifgefrorenen Fingern in den zwei Paar dicken Handschuhen den Schalter an dem großen Scheinwerfer umzulegen. Das gelingt mit ein paar gezischten Flüchen und viel Fummelei erst nach mehreren Versuchen. Aber der Scheinwerfer bleibt dunkel.
    Ich kneife die Augen zusammen, bis sie zu tränen anfangen. Ich kann nichts ungewöhnliches entdecken.
    Da! Da ist doch was! Jetzt hat es sich bewegt. Ich spinne nicht. Da ist irgendwas! Vielleicht irgend ein Tier. Hoffe ich zumindest. Dann wird es auch irgendwann wieder weg sein. Auf jeden Fall ist es innerhalb des Zaunes, geschätzte hundert Meter entfernt.
    Jetzt bewegt sich der Schatten wieder. Und jetzt sehe ich, es ist kein Tier. Der Schatten bewegt sich auf zwei Beinen. Langsam geht irgendjemand auf den Zaun zu. Geduckt und sehr vorsichtig.
    Ich fange zu zittern an. Diesmal nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung und vielleicht auch ein wenig Angst. Ja so ist es, ich stehe hier oben, wie der Jäger auf seinem Hochstand, der auf sein Wild herunterschaut, das arglos vorbeizieht, und zittere. Ob Jäger auch zittern? Vor Angst oder vor Jagdtrieb? Denke ich flüchtig.
    Vielleicht ist es ein Test? Es wird gemunkelt, dass manche Wachhabende ihre Posten auf ihre Wachsamkeit testen. Sie schleichen sich an und wehe dem Posten der das nicht bemerkt.
    „Halt, wer da?“ rufe ich laut in die stille Nacht. Oder besser, möchte ich rufen. Es kommt nur ein leises Krächzen aus meiner Kehle. Das hast du von deinem blöden Gesinge, denke ich bei mir. Ich räuspere mich, ziehe den Schal nach unten und rufe “Halt, wer da?“
    Diesmal ist meine Stimme laut zu hören. Fast schon zu laut für die stille, kalte Nacht. Keine Antwort. Der Schatten ist kurz verschwunden. Der Jemand hat sich abgeduckt. Ich sehe nichts.
    Mann, in fünfunddreißig Minuten ist meine Wache zu Ende und nun diese verdammte Scheiße. Wo ist der Kerl?
    Da! Da ist der Schatten wieder. Nun bewegt er sich etwas schneller auf den Zaun zu.
    ‚Jeder Versuch, den Zaun zu überwinden, ist mit allen Mitteln zu unterbinden. Egal von welcher Seite der Versuch unternommen wird.’ So lautet der Befehl.
    Und das haben wir auch trainiert. Heute, nein gestern Nachmittag im Wachgarten. Auch einer dieser blöden, irreführenden Begriffe hier. Genau so, wie der Park kein Park mit grünen Bäumen ist, sondern Abstellplatz für Fahrzeuge aller Art, so ist der Wachgarten kein Garten mit Blumen, sondern ein kleiner, extra eingezäunter, öder Platz, auf dem das Festnehmen von Ein- und Ausbrechern geübt wird. Gestern wirkte das alles noch wie im Kino. Auch irgendwie lächerlich. Unwirklich. Wir grinsten uns unter unseren Stahlhelmen an, wenn wir laut „Auf den Boden!“ oder „Beine auseinander!“ brüllten. Auf eine laute Kommandostimme komme es an, wurde uns mehrmals eingebläut.
    „Der Grenzverletzer soll sich vor Angst in die Hosen machen, wenn er euch hört und sich nicht totlachen!“ wurden wir immer wieder angeschnauzt. Und wir brüllten. Brüllten uns stark. Sechzig Schuss Munition und ne Kalaschnikow machen jeden stark. „Lasst sie im Dreck liegen bis die Ablösung kommt, wenn es sein muss! Aber nagelt sie fest! Ich will keinen erleben, der hier Mist baut. Ihr wisst...Schwedt ist nicht weit.“ Schwedt, der berüchtigte Armeeknast, von dem nur hinter vorgehaltener Hand die schauerlichsten Geschichten verbreitet werden.
    All das geht durch meinen Kopf, während der Kerl weiter auf den Zaun zuschleicht. Mann, jetzt wird es aber echt eng. Spinnt der?
    „Halt! Stehen bleiben! Stehen bleiben oder ich schieße!“ Nichts. Der Kerl ist lebensmüde. Verdammt! Verdammte Scheiße! Was soll ich tun? Ich hab keine Wahl, zweimal habe ich gerufen, keine Reaktion. Ich nestle meine Waffe von der Schulter. Meine Hände sind steifgefroren und zittern. Ich ziehe ein Paar Handschuhe mit den Zähnen aus, weil ich sonst nichts greifen kann. Nun muss ich die Kalaschnikow noch in die

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