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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach einem Versteck um - nach einem Baum, auf den sie klettern konnte. Zwar hatten sich seit langer Zeit keine Wölfe, Bären oder andere gefährliche Raubtiere in die unmittelbare Umgebung verirrt, aber erst im vergangenen Jahr war ein Mann aus dem Dorf von einem Wildschwein angegriffen und schwer verletzt worden. Sie hatte gerade einen Baum entdeckt, der ihr geeignet schien, als sich das Knacken - näher diesmal - wiederholte, und praktisch gleichzeitig sah sie einen Schatten. Nicht sehr weit entfernt, links von ihr war ganz eindeutig der Umriß eines Menschen. Robin atmete erleichtert auf und wollte sich gerade durch lautes Rufen zu erkennen geben, als ihr etwas bewußt wurde: Wer immer dort vor ihr am Waldrand entlangschlich, bewegte sich so vorsichtig und langsam, als wollte er jedes unnütze Aufsehen vermeiden. Er blieb immer wieder stehen, sah sich um und schlich dann geduckt und hastig weiter. Auch achtete er darauf, wohin er seine Schritte lenkte, denn er zerbrach keine weiteren Äste mehr. Das war sonderbar, fast schon unheimlich.
    Robin setzte ihren Korb ab, ließ sich in die Hocke sinken und bog vorsichtig das Unterholz auseinander…
    … und erlebte eine Überraschung.
    Aus dem Umriß wurde eine Gestalt, die Robin nur zu gut kannte. Es war Helle, die Frau des alten Olof. Olof war Fischer, hatte die vierzig schon weit hinter sich gelassen und war im Dorf nicht besonders beliebt, denn er hatte ein griesgrämiges Wesen und neigte zur Gewalttätigkeit, vor allem, wenn er getrunken hatte. Ganz anders Helle. Sie hätte Robins ältere Schwester sein können, und sie war eine wirkliche Schönheit. Olof hatte sie vor fünf Jahren eines Tages einfach mitgebracht, ein halbes Kind noch, und ihre nachtschwarzen Augen und das nicht zu bändigende, rotbraune Haar hatten schon Anlaß zu mancherlei Spekulationen gegeben, was ihre Herkunft anbelangte. Heute war sie die mit Abstand schönste Frau im Dorf, und Robin wäre nicht einmal erstaunt gewesen, wenn man ihr erzählt hätte, sie sei die Schönste im ganzen Land. Selbst jetzt, vom Gegenlicht der untergehenden Sonne zu kaum mehr als einer bloßen Silhouette reduziert, kam sie Robin wie ein schwebender Engel vor. Das rote Licht schien ihr Haar in Brand zu setzen und stand in wundervollem Kontrast zu ihrem farbenprächtigen Sonntagskleid und dem bunt bestickten Wollschal, den sie sich über die Schulter geworfen hatte und den Robin noch nie an ihr gesehen hatte.
    Sie war nicht allein. Eine zweite, etwas größere Gestalt folgte ihr mit wenigen Schritten Abstand. Es war ein schlank gewachsener Junge, den Robin noch nie zuvor gesehen hatte. Er trug ein einfaches, graues Gewand, das von einem groben Strick um die Taille zusammengehalten wurde und ganz gut ein Mönchskutte hätte sein können, hätte unter dem Kragen nicht die Kapuze eines fein gewobenen Kettenhemdes hervorgeschaut und unter dem Saum nicht Stiefel aus fein gegerbtem Leder. Als er näherkam, erkannte Robin, daß der Junge schwarzes, zu einem Topfschnitt frisiertes Haar und ein kantiges, aber trotzdem nicht unsympathisches Gesicht hatte. Auf seinen Wangen lag der erste, noch zarte Flaum eines Bartes, aber er konnte trotzdem nicht sehr viel älter als Robin sein. Er sah sich immer wieder nervös und sehr aufmerksam um. Einmal fiel der Blick seiner dunklen Augen genau auf den Busch, hinter dem sich Robin versteckt hatte, und sie war fast sicher, daß er sie einfach sehen mußte. Doch dann drehte er den Kopf weiter und sah wieder zum Dorf zurück.
    Robin sah den beiden nach, bis sie außer Hörweite waren. Dann stand sie auf, ging vorsichtig zum Waldrand und spähte in die Richtung, in der die beiden gingen. Sie war nicht einmal besonders überrascht, als sie dort die verlassene Kapelle entdeckte.
    Robins Gedanken rasten. Wenn sie jetzt sofort loslief, dann würde sie vielleicht gerade noch rechtzeitig nach Hause kommen, um dem schlimmsten Zorn ihrer Mutter zu entgehen. Andererseits… Helle war mit einem Fremden unterwegs, und das noch dazu in aller Heimlichkeit. Sie war es nicht nur ihrer Mutter, sondern dem ganzen Dorf schuldig, den beiden nachzugehen und herauszufinden, was der Grund für ihre Heimlichtuerei war.
    Zumindest schob sie das vor, um sich nicht selbst eingestehen zu müssen, daß sie vor Neugier nahezu platzte. Außerdem fand Robin, daß das Risiko einer Tracht Prügel die Gefahr längst nicht aufwog, die ein Fremder bedeuten mochte, der sich in aller Heimlichkeit hier herumtrieb, und folgte den

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