Die Terranauten TB 06 - Monument der Titanen
Augen zeigten ihr das schwarze Rechteck der Transitschleife.
»Wir werden erwartet«, sagte der Mund Gil-Coron Tschiads. »Vom Schwarzen Fürsten.«
Und der Keimling des Vielgestalters lachte.
II
Ich bin der Letzte. Ich warte auf einen Tag, der vielleicht nie kommen wird. Ich warte auf eine Befreiung aus der Starre. Ich warte auf eine Rückkehr in die Welt, aus der ich kam. Meine Brüder sind tot, aber ihre Asche existiert weiter, und in ihr wohnt die Macht, die sie einst besaßen. Ich trauere, denn ich weiß nicht, ob die Aufgäbe jemals erfüllt werden kann. Ich trauere, weil unser Sieg zu einer Niederlage wurde.
Ich schlafe.
Ich lebe.
Aber ich möchte so gern Ruhe finden und sterben.
Der Alte Konstrukteur
Das Dunkel breitet sich aus. Es ist eine Pest, schlimmer als die Fäule, ein Fluch, der vor langer Zeit über uns gelegt wurde. Es gibt keinen Ausweg, denn der Letzte träumt von vergangenen Welten, und Djunath wacht. Unsere Kinder wenden sich von uns ab, und die alten Tugenden verlieren ihre Bedeutung.
Stumme Worte, gedacht in einer Zeit der Not
Tirions Träume waren ein diffuses Konglomerat aus durcheinanderwirbelnden Bildern. Stimmen wehten durch diese illusionären Landschaften.
»Tirion? Wach auf Tirion. Es ist soweit.«
Die Rückkehr in die Welt des Realen war nicht einfach. Als Tirion schließlich die Augenklappen öffnete, sah es über sich eine ganze Palette von Gesichtern. Da war die liebliche Güte von Rischen, ihrer Ziehmutter; ihre Sprechmembranen rasselten weich und formulierten Laute der Zuneigung und des Trostes. Zwei oder drei Pflegerinnen streckten Tirion ihre Brüste entgegen. Unwillkürlich nahm es das Angebot an und streichelte die Warzen. Milchnektar benetzte seine Hände. Und es erkannte auch Lorant, den Weisen Titantenjünger, der derzeit die Leitung der Warteoase innehatte. Der Duft von Aromablüten umschmeichelte Tirions Riechsensoren. Es richtete seinen Oberkörper ein wenig auf, kostete von dem süßen Milchnektar und sah an seinen Besuchern vorbei. Außerhalb des Ruhekonkavs klebte die Schwärze der Nachtzeit.
»Warum weckt ihr mich zu so ungewöhnlicher Stunde?« fragte Tirion verwirrt.
»So sieh doch, Tirion, so sieh doch«, antwortete eine der Pflegerinnen erregt und deutete auf das Sanctum, daß es am Panzerhals trug. Wärme ging davon aus. Und ein heller Glanz, den Tirion erst jetzt bewußt bemerkte.
»Du weißt doch, was das bedeutet, Tirion. Die Zeit ist gekommen!«
Tirion griff nach den Facetten des Sanctums. Die Wärme war ganz deutlich zu spüren.
Draußen spielten die Tempelmusiker ihre frohlockenden Weisen. Harfenklänge, so zart und süß wie die Umarmung einer Pflegerin.
»Du mußt dich vorbereiten«, sagte Lorant mit seiner tiefen Stimme. Der Weise Titanenjünger war ein Mann, aber sein Körperzustand hatte sich noch nicht endgültig stabilisiert, denn sonst hätte er sich nicht mehr in die Nähe Tirions begeben dürfen. Tirion war ein offenes Neutrum und Sanctumträgerin dieses Zyklus. Der Kontakt mit einem Stabilen wäre einem Sakrileg gleichgekommen.
»Ja, die Zeit ist gekommen«, murmelte Tirion. Und erst jetzt begriff es, was das wirklich bedeutete. Lange Zeit war es auf diesen Tag vorbereitet worden, fast ein ganzes Leben lang. Erregung keimte in ihm empor. Es warf die Decke zurück.
»Die Sammler sind bereits benachrichtigt«, sagte Rischen weich. Ihre Augenklappen glänzten. Sie war stolz. »Mach dich bereit, Tirion.«
»Ja.«
Das offene Neutrum begab sich in die Obhut der Pflegerinnen. In einem Nebenzimmer war bereits ein Bad hergerichtet, und die aromatisierten Wasser streichelten die weichen Schuppen seines Körpers. Die rudimentären Kiemen an seinen Hüften atmeten den Duft der Flüssigkeit, auf daß auch Reinheit in seinem Innern herrschte. Von draußen her ertönten Rufe und Fanfarenklänge.
In zwei Tagen, dachte Tirion, wenn die Sammler zurückkehren, feiert die ganze Warteoase. Und auch die Stadt. Es ist das Ende eines alten und der Beginn eines neuen Zyklus. Eine Zeit des Glücks. Und der Hoffnung.
Es genoß die Zärtlichkeit der Pflegerinnen, die quasisexuellen Erregungen, die beim Berühren bestimmter Körperpartien sein Innerstes durchfluteten. Auch das gehört dazu, dachte Tirion. Wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe, kann ich wählen. Dann ist meine Jugendzeit vorbei, und ich kann mich entscheiden zwischen Mann und Frau, zwischen männlich und weiblich. Dann gehören die verbotenen Kontakte der Vergangenheit
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