Die Tochter der Suendenheilerin
Ausgangsstellung zurückgekehrt und ließen sich von ihren Knappen neue Lanzen geben.
Diesmal schien eine Ewigkeit zu vergehen, bevor die Fanfaren den zweiten Waffengang ankündigten.
Dann endlich! Das Trompetensignal erklang, und wieder galoppierten beide Ritter aus dem Stand heraus an. Meinolf hielt seine Lanze so tief wie beim Waffengang gegen Rudolf, doch zu Antonias Erstaunen hielt ihr Bruder die seine noch tiefer. Wie wollte er den Bastard so treffen?
Kurz bevor die beiden einander erreichten, riss Alexander seine Lanze hoch, vorbei an Meinolfs Schild, und traf ihn mit solcher Wucht gegen die Brust, dass Meinolf aus dem Sattel geworfen wurde.
»Wunderbar!« Sachmet sprang auf und applaudierte laut.
»Herr Ulf, ich fürchte, nicht mein Sohn braucht die Pflege, sondern der Eure.« Antonias Mutter bedachte Ulf mit einem überlegenen Lächeln.
Mehrere Männer liefen auf das Kampffeld, um Meinolf aufzuhelfen, doch der fluchte nur laut und rappelte sich aus eigener Kraft wieder auf.
»Schade, einige gebrochene Rippen und eine ausgerenkte Schulter hätte ich ihm gegönnt«, bemerkte Sachmet. »Aber immerhin muss er nun schon zweimal seine Rüstung und sein Pferd auslösen.«
Ulf knurrte etwas Unverständliches.
Als Nächster ritt Antonias Vater in die Bahn, um gegen Eberhard anzutreten. Der Regensteiner war nach zwei gewonnenen Waffengängen voller Selbstbewusstsein, doch das schien Antonias Vater nicht im Geringsten zu beeindrucken. In Helm und Rüstung war Philip sein Alter nicht anzusehen, so stolz und aufrecht saß er im Sattel. Antonia warf ihrer Mutter einen kurzen Blick zu. Sie kannte deren Angewohnheit, immer wieder mit den Händen über den Stoff ihrer Kleidung zu reiben, wenn sie angespannt war. Doch in Lenas Augen war keine Sorge zu erkennen, und ihre Hände ruhten gelassen im Schoß.
Die Fanfare ertönte. Wie schon seine Söhne, so galoppierte auch Philip aus dem Stand heraus an, die Lanze in gerader Linie zum Pferdehals, den Schild locker am Arm. Es kostete ihn keine Schwierigkeit, Eberhards Lanze abzuwehren und ihn seinerseits an der Schulter zu treffen. Eberhard wurde zurückgeschleudert, konnte sich aber im Sattel halten. Der Sieg gehörte Philip von Birkenfeld.
Auch Christian von Hohnstein konnte seine beiden Waffengänge gegen Regensteiner Vasallen für sich entscheiden. Allerdings hatte Antonia den Eindruck, auch Christian leide unter Leibschmerzen. Erst die beiden Cattenstedter, dann Bertram und nun auch noch Christian! Sie dachte zurück an ihre Begegnung mit Meinolf im Vorratszelt. Ein Hinweis auf geöffnete Vorräte war nicht gefunden worden. Aber konnte es ein Zufall sein, dass so viele Ritter aus derselben Mannschaft plötzlich in ihrer Kampfkraft geschwächt wurden?
Es folgten weitere Waffengänge zwischen niederen Vasallen beider Familien. Dann ritt Philip abermals ins Turniergeviert, um sich Meinolf von Brack zu stellen. Antonia war neugierig, ob der Regensteiner Bastard nach seinem Sturz noch in der Lage war, wieder in den Sattel zu steigen.
Tatsächlich, er wagte es! Als er auf seinen Platz ritt, warf Antonia ihrer Mutter erneut einen Blick zu. Lenas Hände verkrallten sich im Stoff ihres Kleides. Fürchtete sie Meinolfs Stärke so sehr, obwohl Alexander und Rudolf ihn beide besiegt hatten? Antonia hingegen zweifelte nicht an der Kraft ihres Vaters.
Die Fanfaren erklangen. Meinolf galoppierte schneller an als Philip, die Lanze diesmal für seine Verhältnisse erstaunlich hoch. Philip wehrte sie mit dem Schild ab, sodass sie splitterte, konnte jedoch seinerseits keinen Treffer landen. Antonia hörte das heftige Atmen ihrer Mutter. Der zweite Waffengang begann. Meinolf hielt seine Lanze sehr tief. Philip zielte auf Meinolfs Schulter, doch bevor er den Treffer setzen konnte, hatte Meinolf seine Lanze hochgerissen. Zwar traf Philip Meinolfs Schulter, doch musste er selbst einen leichten Treffer am Helm einstecken und verlor den Kampf.
»Ha, wusste ich’s doch!« Siegesgewiss sprang Ulf auf. »Der Ägypter ist längst nicht mehr so gut, wie alle behaupten!«
»Vor zwanzig Jahren wäre ihm das nicht passiert«, bemerkte Lena. » Euch hingegen schon.«
»Er hätte eben wissen müssen, wann es an der Zeit ist, in Würde abzutreten«, erwiderte Ulf mit schadenfrohem Grinsen.
»Das weiß er, da müsst Ihr Euch nicht sorgen, Herr Ulf. Immerhin ist er im Sattel geblieben. Eine Kunst, die Euch regelmäßig versagt geblieben ist, als Ihr noch gegen ihn angetreten seid.«
Am Ende
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