Die Tochter der Wanderhure
Verärgert sann er über einen Weg nach, mit dem er sie gefügig machen konnte.
Als Hardwin mit zu einer Schale geformten Händen zurückkehrte, um mit dem darin enthaltenen Wasser Bonas Lippen zu netzen, hob er abwehrend die Hand. »Aber, aber, mein Guter! Du kannst den jungen Damen doch nicht einfach Wasser reichen, als wären es Mägde.«
Hardwin blieb verwundert stehen. »Aber Fräulein Bona hat doch Durst.«
»Wasser ist gut genug für Mägde, die Damen trinken Wein. Ein Stück weiter ist ein Dorf. Einer der Bauern wird dir gewiss einen Krug Wein verkaufen, oder besser gleich zwei. Und bring Becher für die Jungfern mit. Sie trinken den Wein nicht direkt aus dem Krug.«
»Das wollen wir gewiss nicht, Junker Georg.« Bona bedauerte in diesem Augenblick, dass Gressingens Aufmerksamkeit nicht ihr, sondern Trudi galt. Zwar war er kleiner als Hardwin, hatte aber ein hübscheres Gesicht und Augen, die so wunderbar schmeicheln konnten. Für ihn hätte sie gerne die Röcke gehoben. Andererseits war ihr der junge Steinsfeld von Kindheit an vertraut, und sie hatte sich schon öfter vorgestellt, wie es wäre, mit ihm verheiratet zu sein. Nun aber war sie für einen anderen bestimmt, den sie viel weniger sympathisch fand, und daher sehnte sie sich danach, mindestens einen Kuss mit ihrem Jugendfreund zu teilen – und vielleicht auch ein wenig mehr. Das war jedoch nurmöglich, wenn Trudi sich nicht als Spielverderberin erwies oder sie gar zu Hause verriet. Aus diesem Grund musste sie ihre Freundin dazu bringen, sich Junker Georgs Liebkosungen hinzugeben.
Hardwin stand immer noch mit offenem Mund und starrte Bona an, die ihr Kleid leicht gerafft hatte und ihren Fuß und einen Teil der Wade sehen ließ. Schließlich versetzte Georg ihm einen Stoß.
»Jetzt besorge endlich Wein!«
»Ich bin ja schon weg!« Hardwin riss sich von Bonas verführerischem Anblick los und verschwand zwischen den Bäumen.
Georg hoffte, dass sein Freund genug Wein kaufte und das Getränk unterwegs nicht zur Hälfte verschüttete. Er setzte sich zu den beiden Mädchen ins Gras und wischte sich über die Stirn. Zwar glänzte kein einziger Schweißtropfen darauf, doch er wollte den Eindruck erwecken, als sei ihm heiß.
»Hardwin sollte sich beeilen. Ich fühle mich ebenfalls ganz ermattet.«
»Wirklich?«, fragte Bona mit leichter Koketterie.
»Wir sollten zur Burg zurückgehen.« Trudi sah aus, als wolle sie noch im gleichen Augenblick aufspringen und davonlaufen.
Schnell ergriff Georg ihre Hand und hielt sie fest. »Wir sollten wenigstens warten, bis Hardwin zurückkommt. Es wäre unhöflich, ihn Wein holen zu schicken und dann zu verschwinden.«
Trudi wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Es war mindestens ebenso ungehörig, wenn sie und Bona allein mit zwei Herren im Wald blieben. Ihre Mutter würde sehr verärgert sein, wenn sie davon erfuhr. Andererseits war sie kein kleines Kind mehr, das am Gängelband geführt werden musste, sondern eine junge Dame, die sehr wohl auf sich selbst aufpassen konnte. Zudem war Junker Georg ein echter Edelmann, unter dessen Schutz sie sich geborgen fühlte. Dem würde sicher auch ihr Vater zustimmen, der schon einmal erwähnt hatte, dass er sich Gressingen gut als Schwiegersohn vorstellen könne.
Unwillkürlich erforschte Trudi ihre eigenen Gefühle für Junker Georg und spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Er hatte vorbildliche Manieren und sah wunderbar aus. Mit einem Mal sehnte sie die Stunde herbei, in der er bei ihrem Vater um sie anhielt.
Georg beobachtete Trudis Mienenspiel und lächelte. Das Mädchen war jung und naiv und würde, wenn er es geschickt anfing, noch in dieser Stunde ihre Unschuld verlieren. Allerdings durfte er nichts überstürzen, und daher bemühte er sich, Trudi und auch Bona mit gefälligen Worten zu unterhalten.
Während er die beiden Mädchen mit munteren Schnurren bei Laune zu halten versuchte, verglich er sie im Geiste miteinander. Beide zählten zu den hübschesten Jungfern dieser Gegend, glichen sich aber nur wenig. Bona besaß etwas fülligere Formen als ihre Freundin, ihr Haar war ein wenig heller, und auf ihrem Gesicht lag ein rosiger Schein. Allerdings hätte sie ihrer Haltung nach auch ein besonders hübsches Bauernmädchen sein können. Trudi Adler wirkte weitaus zurückhaltender, zeigte aber mehr Rasse und Anmut. Nicht zuletzt deshalb musste er sie so rasch wie möglich für sich gewinnen, denn bereits morgen konnte ein Brautwerber auf Kibitzstein
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