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Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Die Tochter des Leuchtturmmeisters

Titel: Die Tochter des Leuchtturmmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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wortlos. Sechs Monatslöhne, das war viel Geld. Er dachte an seine Frau und ihre gemeinsame kleine Tochter. Nachdem er Schwitzkowski die Sache übersetzt hatte, packten sie sofort ihre wenigen Habseligkeiten. Ohne die anderen Arbeiter zu informieren, fuhr Roland die Polen mit dem Aluminiumboot an Land. Eine Stunde war vergangen von der Entdeckung der Leiche bis zu dem Augenblick, als die Männer den Parkplatz von Koön verließen. Mirko konnte sich nicht erinnern, schon einmal derart viel in einer einzigen Stunde erlebt zu haben.
    Schweigend fuhren sie in Mirkos blauem Skoda durch die schwedische Frühlingslandschaft. Der Verkehr auf der nach Süden führenden Autobahn lief flüssig. In Schonen war der Frühling bereits weiter vorangeschritten. Die offenen Felder, das sprießende Grün und ihr neu erworbener Reichtum hätten sie eigentlich in gute Stimmung versetzen müssen.Die Fähre, die die beiden von Ystad nach Swinouj§cie bringen sollte, würde erst in einer Stunde auslaufen, also legten sie eine Pause auf einem Rastplatz neben einer alten Kirche ein. Auf den Holzbänken des Platzes saß ein Rentnerehepaar und aß Butterbrote. Die Frau hatte sich auf ihre Serviette gesetzt, um die helle Jacke nicht zu beschmutzen, und als Schwitzkowski vorbeiging, rümpfte sie die Nase. Mirko sah aus dem Augenwinkel, wie sie sich zu ihrem Mann vorbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Der Mann zog die Wagenschlüssel aus der Tasche, hielt sie in Richtung Auto und verschloss es durch einen Knopfdruck.
    Mirko zündete zwei Zigaretten an und reichte eine davon an seinen Kollegen weiter. Schwitzkowski versuchte zu verbergen, dass ihm die Hände zitterten, als er den Glimmstengel entgegennahm. Die Erlebnisse des Morgens hatten beiden stark zugesetzt. Um sich die Beine zu vertreten, gingen sie nun langsam um die weißgekalkte Kirche herum. Die Schwalben kurvten in kühnen Manövern um den Glockenturm. Der sauber geharkte Kies knirschte unter den Füßen der Männer in den ausgetretenen Arbeitsschuhen. Mirko holte tief Luft, so als wollte er etwas sagen, ließ es dann aber. Nachdem er noch eine Weile überlegt hatte, strich er sich über die Bartstoppeln, trat seine Zigarette aus und sah Schwitzkowski an.
    »Weiß Roland, wo du wohnst? Kann er dich irgendwie erreichen?«
    Schwitzkowski schüttelte den Kopf.
    »Na also. Dann bringen wir die Geschichte jetzt in Ordnung.«
    Mit flinkem Finger wählte Mirko die Nummer des schwedischen Notrufs. Als sie zehn Minuten später das letzte Wegstück zur Fähre zurücklegten, schienen der Himmel heller und die Farben irgendwie klarer geworden zu sein.

Marstrand, August 1962
     
    Der Sommerabend war lau, und das Gesellschaftshaus wirkte geradezu magisch, fast als stamme es aus einer Märchenwelt, in der alle Geschichten glücklich ausgehen.
    Die elegante Holztreppe lud die Vorübergehenden zum Eintreten ein, aber die weißen Tischtücher und die gestrenge Miene des sorgfältig gekämmten Oberkellners besagten zugleich, dass nicht jeder Gast willkommen war.
    Schon die Treppe verlangte allen, die sie betraten, Haltung und entsprechendes Benehmen ab. Mehr als einmal hatten die Serviererinnen erfahren, dass sie ein eigenes Leben führte und ihren Schritt ins Wanken bringen konnte, wenn sie mit beladenem Tablett ankamen.
    Es hieß, dass einmal ein junger Mann, der von der Insel Marstrand stammte, im großen Saal auf die Knie gefallen war, um ein Mädchen, dessen er eigentlich nicht würdig war, zu bitten, seine Frau zu werden. Zur Bestürzung der Eltern und der anderen Kurgäste hatte das Mädchen ja gesagt. Hand in Hand hatten die jungen Leute das Gesellschaftshaus verlassen, doch an der Treppe angekommen, stolperten sie und stürzten so unglücklich, dass sich beide das Genick brachen. Die älteren Kellnerinnen glaubten, es sei das junge Paar, das hier noch immer spuke und die Stufen der Treppe wanken lasse.
    Auf der Veranda lehnte sich Arvid in einem der Korbstühle zurück und nippte an seinem Champagner. In der leichten Brise bewegten sich die Wimpel nur schlaff, es roch nach Salz und Tang. Die Sonne war unterwegs zum Horizont, und ihre Strahlen bildeten eine goldene Straße auf der nördlichen Einfahrt zum Hafen Marstrands. Es war gegen Ende August, aber der Sommer lud noch immer mit warmen Abenden ein.
    Ein Klinkerboot mit Gaffelrigg glitt in das flüssige Gold und erregte seine Aufmerksamkeit. Die Segel wurden mit ruhigen Bewegungen gerefft, und je geringer die Segelflächewurde, desto mehr verlor

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