Die Tochter des Münzmeisters
Dunkelheit verlor.
Der Vogt öffnete vorsichtig die Tür und spähte hinaus. Kein Licht erhellte den Hof, nur aus dem Haus drang ein schwacher Schein, und Gottwald erkannte schnell, dass die Haustür einen Spaltbreit offen stand. Bis aufs Äußerste angespannt verließ er vorsichtig das Haus und schlich behutsam weiter. Dabei presste er sich dicht an die Mauer. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte niemanden entdecken. Selbst in der kleinen Kammer neben dem Tor, wo Christian sitzen sollte, war es stockfinster, und dicht daneben befand sich ein dunkler Haufen, der wie ein Stapel Decken aussah. Gottwald schauderte, als er erkannte, dass es sich um Emmerich handelte, und der Blick seiner oft so warmen braunen Augen verfinsterte sich.
Während Esiko im letzten Augenblick einem Hieb auswich, hörte die gepeinigte Hemma dicht neben sich Burchards leise Stimme: »Wenn du auf Hilfe hoffst, so muss ich dich enttäuschen. Deinen Bruder wird spätestens einer meiner Männer am Tor aufhalten. Ich hoffe nur, dassGoswin dabei nicht verletzt wird. Wäre doch schade, so jung sterben zu müssen.«
Er ließ ihre Haare los, griff blitzschnell in Hemmas Ausschnitt und riss mit einem kräftigen Ruck das Oberteil ihrer Kotte entzwei. Sofort legte sich seine freie Hand auf ihre Brüste, die nur noch von dem dünnen Unterkleid bedeckt waren. Hemma, die sich in der eisernen Umklammerung kaum bewegen konnte, trat blindlings kräftig mit dem Fuß nach hinten, und der unterdrückte Aufschrei ihres Peinigers zeigte ihr, dass sie getroffen hatte.
Ohne Vorwarnung stieß Burchard sie von sich und schlug mit der geballten Faust zu. Hemma blieb die Luft weg, und sie sackte zusammen. In gebückter Haltung hockte sie auf den Knien und presste beide Hände auf ihren Magen. Das Geräusch eines fallenden Schwertes, verbunden mit einem schmerzhaften Aufschrei, ließ sie den Kopf heben.
Hoffnungslos sah sie zu Esiko hinüber, der ohne Waffe dastand. In die Ecke gedrängt, schien er ihren Blick zu spüren, denn er wandte sich von Azzo ab und sah ihr direkt in die Augen. Für einen kurzen Moment lagen so viel Ruhe und Zärtlichkeit darin, dass es die junge Frau fast zerriss. Dann brach sein Blick, und Hemma, die immer noch nach Luft rang, stöhnte auf, als sie seinen durchbohrten Leib sah. Dass Azzo sein Schwert mit einem triumphierenden Schrei aus Esikos Körper zog, bekam Hemma gar nicht mehr mit, denn eine gnädige Ohnmacht hatte von ihr Besitz ergriffen.
Ein kalter Schwall Wasser brachte sie wieder zurück in die schreckliche Wirklichkeit. Prustend kam sie hoch und hustete erbärmlich. Ihre Wange brannte, und in ihrem Magen pochte ein dumpfer Schmerz, doch das alles war nichts im Vergleich zu der furchtbaren Erinnerungan Esikos Tod, die sich mit aller Macht an die Oberfläche drängte.
Hemma hätte sich am liebsten wieder hingelegt und die Augen gar nicht erst geöffnet. Fast hätte sie ihrem Wunsch auch nachgegeben, wenn nicht ein langes Stöhnen ihre Aufmerksamkeit erregt hätte. Unterhalb von ihr lag ihre Mutter zusammengeschnürt wie ein Bündel auf dem Boden. In ihrem schönen, sinnlichen Mund steckte ein schmutziger Lappen, und die sonst so gepflegten kastanienbraunen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Als Hemma das Entsetzen in den dunkel schimmernden blauen Augen ihrer Mutter sah, wurde ihr plötzlich klar, wo sie sich befand. Ihre Benommenheit verschwand, und sie richtete sich schnell auf dem großen Tisch auf, nur um gleich darauf wieder heruntergedrückt zu werden. Voller Panik bemerkte sie über sich das Gesicht Azzos, der ihr die Arme nach hinten bog und sie auf den Tisch presste. Dabei grinste er anzüglich und ließ den Blick über ihren Körper nach unten wandern. Automatisch folgte Hemma ihm und stellte schreckensbleich fest, dass Burchard an der gegenüberliegenden Seite des Tisches direkt vor ihr stand.
Panisch wand sie sich wild hin und her, so weit der eiserne Griff Azzos es zuließ, und trat um sich, doch Burchard war nach dem letzten schmerzhaften Tritt gewarnt und wich geschickt aus. Behände packte er ihre Beine und drängte seinen Körper dazwischen. Hemma, die sich kaum noch bewegen konnte, musste hilflos zusehen, wie er ihr den Rock hochschob und seinen Gürtel losband. Seltsamerweise fiel ihr erst jetzt auf, dass ein Rinnsal geronnenes Blut seitlich an seinem Gesicht klebte, das augenscheinlich seinen Ursprung in der Kopfwunde hatte, die er von ihrem Hieb mit dem Stuhl bekommen hatte.
Als sie ihre Mutter erneut
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