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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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E iner Statue gleich, gehauen aus Stein, kauerte die Gestalt am Rand eines Felsvorsprungs in den höchsten Höhen des Riesengebirges. Unter ihr drohte der Abgrund, dreißigtausend Fuß gähnender Leere. Der Schemen eines Mannes, der an das Symbol eines Kriegers aus längst vergessenen Tagen erinnerte, verschmolz mit dem Fels unter seinen Füßen zu einer Einheit, als sei er vor Urzeiten aus dem Stein emporgewachsen. Vielleicht hatten Wind und Wetter ihn über Millionen Sonnenwenden geformt. Womöglich war er das Werk eines verwegenen Bildhauers, der sich in die eisigen Höhen der Berge gewagt und das harte Gestein zeit seines Lebens unermüdlich bearbeitet hatte. Einzig, um sein Meisterwerk an unerreichbarer Stelle zu errichten.
    Weder regte er sich noch atmete er. Das Gesicht wirkte kantig und grob gemeißelt mit ausgeprägten Wangen, einem kräftigen Kinn, schmalen Lippen, wie überhaupt der gesamte Körper nur wenig weich geschwungene Linien aufwies, dafür allerdings kräftig und athletisch ausgearbeitet war. Ohren und Nase hatte der Schöpfer offenbar vergessen. Oder geschah das Vergessen absichtlich? Haut- und Haarfarbe waren grau und in der Beschaffenheit nicht von der ihn schützenden Felsenrüstung zu unterscheiden. An manchen Stellen dunkel durchwachsen, an anderen wiederum heller gehalten.
    Die Augen hielt er geschlossen und doch wirkte er auf eigenartige Weise lebendig, so als lausche er den tosenden Winden, die zornig um den Felsen tobten, als wollten sie diesen mitsamt der auf ihm kauernden Statue in die Tiefe reißen. Doch Felsen und Krieger hatten einen festen Halt und trotzten den an ihnen zerrenden Kräften.
    Weder der Wind, dessen Stärke sich mit jeder weiteren Sardas der Intensität eines heftigen Sturms näherte, noch die Höhe brachten die Gestalt aus der Ruhe. Kein Wanken, kein Zittern. Nichts. Obgleich die Statue aussah, als schliefe sie, deutete ihre Haltung auf seltsame Weise einen äußerst wachen Zustand an, gerade so, als lauere sie auf eine Bewegung oder ein Geräusch. Jederzeit zum Sprung bereit.
    Seit vielen Sonnenwenden schon wartete der steinerne Krieger auf dem Felsüberhang darauf, dass endlich jemand vorbeikäme, ihn aus seinem fortwährenden Schlaf zu wecken. Doch ob er schlief, träumte, tot war oder lebte. Er wusste es selbst nicht, war er doch aus Stein und ein fester Bestandteil der ihn umgebenden Berge. Die Felsen erzählten ihm viel, denn sie standen seit Anbeginn der Zeit an Ort und Stelle. Ob Erde, Kristall, Erz oder Stein, sie hatten alles gesehen und bargen Geheimnisse in sich, von denen niemand sonst je erfahren sollte. Geduldig lauschte die Statue den Geschichten und nahm das Wissen begierig in sich auf. Manchmal Fragmente nur, die wie Teile eines Rätsels erst verstanden und an der richtigen Stelle zusammengefügt werden mussten, um einen tieferen Sinn zu ergeben. Teils waren es Bilder, die sich ihrem Betrachter erst dann erschlossen, wenn er die ganze Geschichte gehört hatte. Es war ein schier endloses Flüstern und Stöhnen, ein Mahlen, Klopfen und Rauschen, das durch das Gestein bis in die höchsten Höhen und tiefsten Tiefen an jeden Fleck auf Kryson kroch. Das Band riss niemals ab. Erde und Stein waren an jedem Ort. Ihnen entging nichts und sie prägten sich seit Anbeginn der Zeit alles ein. Über ihm ragte der Gipfel des Choquai weitere dreitausend Fuß in die Höhe. Jener Gipfel, den nie ein Sterblicher erklommen hatte.
    Ein Kratzen am Stiefel weckte den Krieger aus seinem Schlaf. Er öffnete die Lider, unter denen sich Augen so hell und klar wie Kristalle befanden. Das Licht der schwindenden Sonnen brach sich in den Farben des Regenbogens in der kristallenen Facettenstruktur.
    »Mein Prinz, Ihr habt mich gerufen?«, fragte das unscheinbare Wesen die Statue stimmlos.
    Das Wesen war ein Felsenfreund und sprach ausschließlich in Gedanken zu der Statue. Es war kaum größer als der Fuß des steinernen Kriegers und hatte sich neben dem Krieger niedergelassen, so als wären sie engste Vertraute. Am nackten, mit einer schwarz glänzenden Schuppenhaut versehenen Kopf und Schwanz glich der Felsenfreund einer Steinechse. Jedoch war der restliche Körper mit einem dicken grauen Pelz bedeckt. An den Innenflächen der sechs Füße und am vorderen Händepaar besaß der seltene Bergbewohner Saugnäpfe, mit denen er problemlos glatte Felswände emporklettern konnte.
    »Goncha, mein kleiner Freund. Du bist fürwahr die treueste Seele unter den Felsenfreunden. Bist

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