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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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neues Regal angeschafft habe.
    Während ich auf der Leiter balancierend Linien mit dem Bleistift zog, saß mein neuer Auftraggeber auf einem Stuhl, den er sich ans Fenster gezogen hatte, und sah mir von dort aus zu.
    »Warum haben Sie sich ausgerechnet für diese Skizze entschieden?« Diese Frage stellte ich jedem, der sich aus meiner Skizzenmappe ein Motiv auswählte. In seinem Fall interessierte mich die Antwort ganz besonders.
    »Weil es einen mit den eigenen voyeuristischen Anteilen konfrontiert«, antwortete er nach kurzem Zögern.
    Richard Stahmer hatte es die makellose Fassade eines Jahrhundertwendehauses mit seinen neun Fenstern angetan. Eines davon war mit dunklen Gardinen verhangen und verwehrte dem Betrachter den Blick in das dahinterliegende Zimmer. In alle anderen Fenster konnte man mehr oder weniger gut hineinsehen. Manche Räume waren bis in den letzten Winkel ausgeleuchtet, andere lagen im Dämmerlicht. Nicht immer waren es die Bewohner, die ihre Geschichten erzählten, manchmal waren es einfach nur die Möbel, die eine einsame, beängstigende oder in Routine erstarrte Welt zeigten. Anblicke, die den Betrachter wie elektrisiert zurückweichen ließen, oder bei denen er sich wünschte, in das Bild hineinkriechen zu können und sich dort für immer einzurichten.
    Richard Stahmer hatte die Skizze zur Hand genommen und betrachtete sie. »Ich glaube, jeder Mensch, der abends im Dunkeln durch die Straßen läuft, wirft gerne einen Blick in die erleuchteten Fenster. Sie haben etwas Anheimelndes, zumindest geht es mir immer so. Gleichzeitig frage ich mich bei solchen Gelegenheiten, wo die Grenze zum Voyeurismus verläuft.«
    »Vielleicht an dem Punkt, an dem man stehen bleibt, um genauer hinzusehen.«
    Er stand auf, öffnete die Balkontür und setzte sich wieder. »Was hat Sie zu diesem Motiv inspiriert?«
    »Das Thema Voyeurismus auf der einen Seite. Auf der anderen die Überzeugung, dass sich hinter einer schönen Fassade so ziemlich alles verbergen kann – von der heilen Welt bis zur Hölle.«
    »Gibt es überhaupt so etwas wie eine heile Welt?« Richard Stahmer neigte den Kopf zur Seite und sah mich skeptisch an.
    Ich setzte mich auf die oberste Stufe der Leiter. »Heil im Sinne von ungetrübt sicher nicht. Aber heil im Sinne von ausgeglichen ganz bestimmt.«
    »Wenn sich die guten und die schwierigen Phasen die Waage halten«, meinte er mit einem Lächeln.
    »Das ist eine Menge, finden Sie nicht?«
    Er sah mich an und ließ sich Zeit mit seiner nächsten Frage. »Wie alt sind Sie?«
    »Vierunddreißig«, antwortete ich. »Und Sie?«
    »Neununddreißig. Hält sich die Waage bei Ihnen im Gleichgewicht?«
    »Ich glaube schon.«
    »Warum sind Sie dann Künstlerin geworden? Heißt es nicht, der Weg in die Kunst beschreibe einen Selbstheilungsversuch?«
    Ich musste lachen. »Mein Weg in die Kunst beschreibt eher einen Durchsetzungsprozess. Meine Eltern waren damals nicht gerade begeistert von meinen Plänen. Sie hätten es lieber gesehen, wenn ich mich für so etwas Solides wie Jura interessiert hätte. Zum Glück hat meine Schwester diesen Weg eingeschlagen und die Familienehre gerettet.«
    »Entschuldigen Sie meine Neugier. Aber als ich Sie gegoogelt habe, bin ich auch immer wieder über den Namen Alexander Benthien gestolpert. Sind Sie zufällig mit ihm verwandt?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »In Ihrer Biographie steht, dass Sie vom Tegernsee stammen. Und über ihn weiß ich, dass er dort wohnt.« Als er meinen irritierten Blick sah, setzte er zu einer Erklärung an. »Ich bin freier Wirtschaftsjournalist und habe vor Jahren einmal etwas über
BGS&R
geschrieben. Alexander Benthien ist einer der vier Partner dieser Detektei. Ich hätte damals gerne ein Interview mit ihm geführt, es hat sich jedoch leider nicht ergeben. Hin oder her …« Er gestikulierte mit beiden Händen und zog eine Grimasse, als mache er sich über sich selbst lustig. »Da ich immer wieder feststelle, wie klein die Welt ist, dachte ich, es wäre doch durchaus möglich, dass Sie …«
    »Er ist mein Vater«, unterbrach ich ihn. »Und er warnt mich immer wieder vor Journalisten.« Ich ersparte ihm die ausführliche Version, die von scheinbar harmlosen Ködern handelte, mit denen Enthüllungsjournalisten angeblich versuchten, an Informationen zu gelangen. Wenn ich meinem Vater Glauben schenkte, war ihnen ausschließlich an skandalträchtigem Material gelegen. Und so etwas werde er keinesfalls unterstützen. Da er jeglichen Kontakt

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