Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
PROLOG
KEIN RAUM FÜR HOFFNUNG
Aeonstor,
See von Buradan, zwei Wochen nordöstlich von Toha,
Spätsommer
Im Gegensatz zu allen Geschichten und Liedern, die es zu diesem Thema geben mag, gibt es nur eine Handvoll respektabler Dinge, die ein Mann tun kann, nachdem er ein Schwert in die Hand genommen hat.
Zunächst einmal kann er es weglegen und etwas anderes tun; diese Option bietet sich Männern, die höher geschätzte Talente besitzen. Weiterhin könnte er es selbstverständlich benutzen, um Heim und Herd zu verteidigen, denn sein Eigentum zu schützen ist bewundernswert. Falls er zu dem Schluss kommt, dass er für diese Art von Handwerk geeignet ist, könnte er sich bei der örtlichen Rekrutierungsstelle der Armee einschreiben und Volk und Land gegen all jene verteidigen, die zu diesem Zeitpunkt als Feinde angesehen werden. All dies sind anständige und ehrenwerte Handlungsweisen für einen Mann mit einem Schwert.
Dann gibt es natürlich noch die weniger respektablen Gewerbe.
Da wäre zuallererst das Söldnerleben, die erlesene Kunst, sich dafür bezahlen zu lassen, seinen Stahl in vorzugsweise lebendige Dinge zu rammen. Söldner werden normalerweise nicht so hoch geachtet wie Soldaten, da sie nur den Lehnsherren Loyalität schwören, die rund, flach und aus Gold sind. Dennoch ist dieser
Gebrauch des Schwertes nur unwesentlich anrüchiger, weil man als Söldner zwangsläufig immer irgendjemandem hilft.
Die niederste Stufe, auf die ein Mann mit einem Schwert sinken kann, der absolute Bodensatz, das unwürdigste und gemeinste Gewerbe, das ein Mann ergreifen kann, nachdem er sich entschieden hat, die Waffe nicht abzugürten, ist das des Abenteurers.
Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit zwischen dem Abenteurer und dem Söldner: die Liebe zum Gold. Darüber hinaus gibt es nur unvorteilhafte Vergleiche. Zwar arbeitet wie der Söldner auch der Abenteurer für Geld, mag es Gold, Silber oder Kupfer sein, doch im Unterschied zu dem Gewerbe des Söldners ist das des Abenteurers nicht auf das Töten beschränkt, obwohl es eine Menge davon mit sich bringt. Vor allem aber versichert man sich der Dienste eines Abenteurers, anders als bei einem Söldner, gewöhnlich nicht, weil man Hilfe benötigt.
Wenn man jemanden braucht, der Wilderer von einer Viehherde fernhält oder eine Jungfrau beschützt, einen Wächter für das Familiengrab sucht oder einen Feind vertreiben will, und das gegen ein angemessenes Salär, verpflichtet man gewöhnlich einen Söldner.
Will man eine Viehherde stehlen oder eine Jungfrau entehren lassen, ein Familiengrab schänden oder einen ehrbaren Mann aus seinem eigenen Heim vertreiben, und das für ein paar Kupfermünzen und ein wohlfeiles Versprechen, dingt man einen Abenteurer.
Ich treffe diese Unterscheidung zu einem einzigen Zweck: Derjenige, der möglicherweise dieses Tagebuch findet, nachdem ich in irgendeinem Loch verreckt bin, in das ich fiel, oder von irgendeiner Waffe getötet wurde, in die ich lief, soll die Gründe dafür erfahren.
Dies ist der erste Eintrag ins Journal der Suche nach dem Aeonstor, das große Abenteuer von Lenk und seinen fünf Gefährten.
Sollte die Person, die dies liest, bislang eine hohe Meinung von dem Schreiber haben, möge sie die Lektüre bitte augenblicklich einstellen. Die vorangegangenen Sätze erlauben sich gewisse Freiheiten.
Um den Begriff »Abenteuer« zu verstehen, muss man ihn vom
Standpunkt des Abenteurers aus betrachten. Für einen Jungen, der auf dem Knie seines Vaters sitzt, einen Jüngling, der den Ältesten zuhört, oder eine Menschenmenge, die verzückt den Liedern der Bänkelsänger lauscht, ist ein Abenteuer etwas, wonach alle gieren, und in dem es um Reichtümer, Frauen, Heldentaten und Ruhm geht. Für einen Abenteurer ist es Arbeit; schmutzige, staubige, blutige, hemdsärmelige, mörderische und schlecht bezahlte Arbeit.
Das Aeonstor ist ein Relikt, ein uraltes Artefakt, nach dem heilige Männer und Frauen aller Glaubensrichtungen lange gesucht haben. Es bietet ein Schlupfloch in der Barriere zwischen Himmel und Erde, gestattet das Gespräch mit den Göttern selbst und provoziert die Fragen: Warum? Wie? Was?
Dies habe ich jedenfalls gehört.
Meine Gefährten und ich wurden gedungen, um dieses Tor zu suchen.
Den Ausdruck »Gefährten« benutze ich, weil er sich weit besser anhört als »eine Bande von Briganten, Eiferern, Wilden und Wahnsinnigen«. Außerdem benutze ich diesen Begriff, weil er unendlich viel interessanter klingt
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