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Die Tote am Watt

Die Tote am Watt

Titel: Die Tote am Watt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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gesehen.«
    »Dann gehen Sie nur rein. Er wird sich freuen, einen alten Bekannten zu treffen.«
    Der Mann mit der roten Schirmmütze wehrte ab. »Besser, ich besuche ihn zu Hause. Sie wissen sicherlich, wo er wohnt?«
    Mamma Carlotta brauchte nicht lange nachzudenken. »No! Ich habe keine Ahnung.«
    »Schade. Trotzdem danke.« Er tippte an den Schirm seiner Mütze und wandte sich zum Gehen. Mamma Carlotta sah ihm so lange nach, bis sie sicher war, dass er nicht die Tür von Käptens Kajüte öffnete, um seinen alten Freund Fietje in die Arme zu schließen und sich mit ihm zusammen an der Wiedersehensfreude zu berauschen. Nein, der Mann bohrte seine Hände in die Manteltaschen und ging zügig davon.
    Mamma Carlotta blickte ihm kopfschüttelnd nach. Diese nordische Leidenschaftslosigkeit! Kalt wie der Wind, unter dem das Dünengras zitterte, und eisig wie das Wasser der Nordsee, dessen Temperatur sie sich gar nicht vorstellen mochte.
    Erik überquerte die Westerlandstraße und lief den Süder Wung entlang, als ihn plötzlich eine aufgeregte Fahrradklingel auf den Bürgersteig scheuchte. »Mamma Carlotta!«
    Er blieb wie angewurzelt stehen, beobachtete mit angehaltenem Atem, wie seine Schwiegermutter ein Bremsmanöver einleitete, und seufzte erleichtert auf, als sie schließlich vor der Tür stand, ohne dass sie selbst, das Fahrrad oder das Eriks Auto zu Schaden gekommen waren, das Sören gerade abschloss.
    Als Erik näher kam, hörte er seine Schwiegermutter sagen: »Sie wollen nach Hause fahren, Sören? Wozu habe ich eingekauft? Eintopf aus der Konserve können Sie essen, wenn ich wieder in Umbrien bin. Heute Abend werde ich übrigens Antipasti einlegen. Die kann Enrico dann morgen mit ins Polizeirevier nehmen.« Erik hörte ihr Lachen, das ihn so quälend an Lucias Lachen erinnerte, dass er einen Moment lang glaubte, den Schmerz nicht ertragen zu können. »Dort wird es dann riechen wie in einer italienischen Trattoria.« Lachend wandte sie sich um, als sie Eriks Schritte hörte, und blieb stehen, als ein weiterer Wagen vor der Haustür hielt.
    »Dr. Hillmot!« Erik wartete, bis der Gerichtsmediziner ausgestiegen war. »Sind Sie endlich fertig mit der Obduktion?«
    »Ich kam gerade hier vorbei, da dachte ich, ich bringe Ihnen die Ergebnisse persönlich.«
    Mamma Carlotta nickte zufrieden. »Ich werde noch ein weiteres Gedeck auflegen.«
    Dr. Hillmot war ein Mann von fast sechzig Jahren, der sein ganzes Leben gegen sein Übergewicht gekämpft und sich nach seinem fünfzigsten Geburtstag seiner Leibesfülle ergeben hatte. Seitdem ließ er es sich schmecken, kaufte sich zweimal im Jahr neue Hosen, weil ihm die alten zu eng geworden waren, und hoffte darauf, dass er noch so lange hinter das Steuer seines Dienstwagens passte, bis er pensioniert wurde. Als er Mamma Carlotta ins Haus folgte, strich er über seinen Bauch, als wollte er die Größe des Vakuums prüfen, das dort entstanden war. Es schien gewaltig zu sein, denn er schielte enttäuscht in die Küche, als Erik ihn ins Wohnzimmer dirigierte.
    »Insalata di zucchine kommt in einer halben Stunde auf den Tisch«, rief Mamma Carlotta Sören nach, der als Letzter das Wohnzimmer betrat und die Tür hinter sich ins Schloss zog.
    Erik wurde unruhig – wie immer, wenn Dr. Hillmot in seiner umständlichen Art erst alle Unterlagen vor sich ausbreitete, bevor er zu sprechen begann.
    »Haben Sie was Auffälliges gefunden?«, fragte Erik.
    »Das kann man wohl sagen.« Dr. Hillmot lehnte sich zurück und faltete die Hände über seinem Bauch. »Wie wir vermutet haben, wurde die Frau erdrosselt. Das beweisen die vielen punktförmigen und kleinfleckigen Blutungen in den Bindehäuten beider Augen, in den Augenlidern, der Mundschleimhaut und der übrigen Gesichtshaut. Das Gesicht war bläulich verfärbt und aufgedunsen. Die einfache Drosselmarke ging zirkulär in gleicher Höhe um den Hals. Das Drosselwerkzeug ist das Stück Wäscheleine, das wir am Tatort sichergestellt haben.«
    » DNA -Spuren an den Griffenden der Leine?«, fragte Erik.
    Ehe Dr. Hillmot antworten konnte, öffnete sich die Tür, und Mamma Carlotta kam herein. »Scusa«, murmelte sie und ging zum Schrank. »Ich suche nach der Kristallschale, die Cousine Daniela euch zur Hochzeit geschenkt hat. Insalata di zucchine sieht in Kristall besonders appetitlich aus.«
    Dr. Hillmot wartete, bis Mamma Carlotta die Kristallschale gefunden hatte, dann fuhr er fort, ohne auf Eriks angespannte Miene zu achten. Der hatte

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