Die Tote ohne Augen
ihrem Verschwinden geputzt? Warum ist er geflohen, als Maria ihn befragen
wollte? Alles Fragen, auf die Maria selbst die Antworten schilderte. Und zwar
genau die Antworten, die Mike Lüttich ihr bei der Vernehmung gegeben hatte. Er
liebte Kathia. Er wollte aber die Beziehung geheim halten. Deshalb putzte er
das Zimmer. Damit niemand seine intimen Spuren darin finden würde. Dass diese
Putzaktion auffallen und dass sie sich nicht gerade günstig für ihn auswirken
würde, daran hatte er nicht gedacht. „Da ich seit der Festnahme von der
Unschuld von Mike Lüttich überzeugt bin, dieser aber in Untersuchungshaft sitzt
und der Untersuchungsrichter die besagte Untersuchungshaft nicht aufgehoben
hat, ist diese Verhandlung die einzige Möglichkeit, um Mike Lüttich aus dem
Gefängnis zu bekommen. Deshalb möchte ich mich bei der Staatsanwaltschaft
bedanken, dass sie diese Sitzung angefragt hat und bei Ihnen, werter Herr
Präsident, dass Sie dem zugestimmt haben.“ Mike blickte auf. Zum ersten Mal an
diesem Tag starrte er nicht den Boden an. Diese süße Kommissarin wollte ihm
helfen. Sein Herz überschlug sich. Der Eifer hielt jedoch nicht lange an.
Hirsch sprang auf und brüllte los: „Diese Polizistin redet Schwachsinn! Ich
sehe ja, worauf das hier hinausläuft! Sie will den Lüttich raus und meinen
Mandanten drin!“
Richter Winfried Bauer blickte
auf. Ganz ruhig, aber in einem strengen Ton sagte er: „Herr Hirsch. Sie sind
jetzt sofort ruhig. Wenn Sie noch ein einziges Mal so in meinem Gerichtssaal
rumschreien, werde ich Sie sofort hinauswerfen lassen. Ob jemand hier
Schwachsinn redet oder nicht, bestimme immer noch ich! Und zwar ich alleine!
Haben wir uns verstanden?“ Hirsch nickte. „Ob Sie mich verstanden haben?
Kopfnicken kann der Schreiber nicht aufschreiben, also antworten Sie gefälligst!“
„Ja, ich habe verstanden“, gab
Hirsch kleinlaut bei. „Das hat gesessen“, dachte Maria.
„Als Nächstes möchte ich eine
Zeugin aufrufen, die von der Verteidigung benannt wurde. Gerichtsdiener, bitten
Sie Frau Josefa Meyrath herein.“ Der Gerichtsdiener öffnete die Tür und Frau
Meyrath trat in den Sitzungssaal. Sie trug einen schwarzen Minirock, schwarze
Schuhe mit hohen Absätzen und einen schwarzen Hut. Sie war gekleidet, als würde
sie zu einer Beerdigung gehen, wäre da nicht eine pinkfarbene Federboa gewesen,
die sie als Schal trug. Die Lippen waren im gleichen Pink gefärbt. Nach der
Belehrung über die Wahrheitspflicht begann sie mit ihrer Aussage. „Mein Freund,
der anerkannte Tierarzt Dr. Lomesch, hat mit dieser ganzen Sache nichts zu tun.
Das ist doch ganz klar. Ein Mann seines Formats würde sich doch nie die Hände
an so einer billigen Schlampe schmutzig machen.“ Richter Bauer kniff schon
wieder die Augen zusammen. „Mein Freund war bei mir, und zwar jedes Mal. Er war
bei mir, als er zum Stall gerufen wurde, weil zwei Pferden die Augen verätzt
wurden. Er war bei mir, als diese Frau aus dem Weiher geborgen wurde, und er
war bei mir, als dieser Chemiker seine Sachen liegen gelassen hatte.“
„Interessant“, sagte Vanessa
Flemisch. „Interessant. Von wo aus wussten Sie denn bitte, dass mit dieser, wie
heißt sie noch mal? Tetraindexalsäure?“
„Das hat mein Freund mir erzählt.
Das ganze Dorf wusste davon. Immerhin wurden Gemeindearbeiter vernommen, der
Bürgermeister wurde vernommen und in einem so kleinen Dorf spricht sich alles
schnell herum.“
„Aber Sie wissen nicht genau,
wann das war, wie können Sie denn eigentlich behaupten, Dr. Lomesch sei bei Ihnen
gewesen, als die Säure verschwand?“
„Ganz einfach! Er war die ganze
Zeit immer bei mir! Endlich ein Mann, der sich Zeit nimmt für seine Freundin.“
Der Staatsanwalt mischte sich ein:
„Frau Meyrath, laut Aussage von Herrn Lüttich hätten Sie mal seine Reitschule,
sagen wir mal, in aller Öffentlichkeit durch den Dreck gezogen. Stimmt das?“
„Nein, das stimmt nicht. Wieso
sollte ich das tun?
„Weil Sie mal mit Mike Lüttich
zusammen waren und verlassen worden sind. Und deshalb gar nicht gut auf Mike
Lüttich zu sprechen sind!“
„Mir ist doch egal, was er tut.
Ich muss ihm noch dankbar sein, denn ohne ihn hätte ich nie diesen wunderbaren
Tierarzt kennengelernt.“ Sie zwinkerte Dr. Lomesch zu und schickte ihm einen
Kuss.
„Ich habe Sie darüber aufgeklärt,
Frau Meyrath, dass Sie hier die Wahrheit sagen müssen“, schnaufte Richter Bauer
„Das ist das Erste. Und das Zweite, hier werden keine
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