Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
nachweisen? Dazu müssten wir die Flasche in ihrem Besitz finden, doch die Hinweise reichen für eine Durchsuchung nicht aus.«
Sonnenschein hob die Hand. Er hatte die Vorfälle vom gestrigen Tag nicht mehr erwähnt und wirkte sehr konzentriert. »Wenn wir es nun von einer ganz anderen Seite angehen würden … Angenommen, der Täter war kein Arzt oder Apotheker, niemand, der aus seiner beruflichen Erfahrung heraus genaue Kenntnisse über Gifte besitzt. Wo könnte er sich das Wissen verschafft haben?«
»Na, ganz einfach: Er kann es in einem privaten Gespräch oder aus einem Buch erfahren haben«, erwiderte Berns.
»Genau. Die Zahl der Buchhandlungen, die derartige Literaturführen, dürfte selbst in Berlin begrenzt sein. Hinzu kommen wissenschaftliche Bibliotheken.«
»Das ist gut«, sagte Leo. »Robert, du stellst eine Liste der Buchhandlungen zusammen, die infrage kommen, Universitätsbuchhandlungen und so weiter. Berns, Sie erkundigen sich im Pharmakologischen Institut, und Sonnenschein übernimmt die Universität.«
»Und was ist mit Frau Lehnhardt?«, fragte Walther.
»Vielleicht wollte sie dich nur loswerden und ist deshalb auf die Sache mit dem Verschenken eingegangen. Aber ich werde mit Frau Meyer und Dr. Vollnhals sprechen, ob sie etwas von der Flasche wissen. Um vier Uhr treffen wir uns hier und vergleichen die Ergebnisse. Viel Erfolg, meine Herren.«
Die Kanzlei, ein Büro mit Teeküche, lag in einer Seitenstraße in Schöneberg. Grete Meyer begrüßte Leo überrascht. Sie trug ihre Hornbrille an einem Band um den Hals. Das schwarze Kleid mit dem weißen Kragen wirkte fast wie eine Uniform. »Kommen Sie doch herein. Geht es um den Artikel in der ›Morgenpost‹?«
Er sah sie mit gespielter Verwunderung an.
»Ach, jetzt habe ich mich verraten.« Sie holte eine Tasse Kaffee aus dem Raum nebenan, während Leo das Büro mit den strengen Aktenordnern und den geometrischen Bildern an der Wand betrachtete. »Konstruktivismus?«
Sie nickte. »Ich bevorzuge klare Formen, dabei kann ich besser denken.«
Er trank einen Schluck Kaffee und sah sie prüfend an. »Wie war das mit dem Artikel?«
Sie erzählte von ihrer Freundin, die als Reporterin bei der Zeitung arbeitete. »Ich habe nur weitergegeben, was Sie uns im Präsidium gesagt haben. Was sie daraus gemacht hat, bedaure ich, bin mir aber keines Verstoßes gegen das Gesetz bewusst.«
Da kommt die Anwältin durch, dachte Leo belustigt. »Deswegen bin ich eigentlich nicht hier, aber vielen Dank für den Hinweis. Es wird noch heute eine Pressekonferenz geben, zu der Ihre Freundin herzlich eingeladen ist.« Er stellte die Tasse ab. »Nun aber zu einer anderen Frage. Sind Sie einmal in der Wohnung von Frau Dr. Strauss gewesen?«
»Natürlich, wir haben uns reihum getroffen.«
»Ist Ihnen dort eine Sprühflasche aus Metall aufgefallen, mit der sie Rosenwasser versprüht hat?«
Grete Meyer nickte. »Das war eine Macke von ihr. Alles duftete nach Rosen, aber dezent, es war ganz angenehm. Besser als die Räucherstäbchen, die sie manchmal abgebrannt hat.«
»Wissen Sie, wo sie die Flasche aufbewahrte?«
»Im Schlafzimmer, soviel ich weiß. Allerdings war ich nie dort drinnen.«
»Können Sie mir sagen, was aus der Flasche geworden ist?«
Die Anwältin sah ihn verwundert an. »Ist sie nicht mehr da?«
Leo schüttelte den Kopf. »Könnte Frau Dr. Strauss die Flasche vielleicht verschenkt haben?«
»Ganz sicher nicht!«, rief Grete Meyer und zündete sich eine Zigarette an. »Sie hat von der hervorragenden Technik geschwärmt und erzählt, dass ihr Schwager sie speziell für sie in seiner Fabrik hergestellt habe. Er hat ihr die Flasche wohl vor Jahren zum Geburtstag anfertigen lassen. Die hätte Jette nie verschenkt.«
»Haben Sie nicht vielleicht doch eine Vorstellung, was daraus geworden sein könnte?«, hakte Leo nach.
Grete Meyer sah ihn durchdringend an. »Warum ist Ihnen die Flasche so wichtig? Hat sie mit dem Fall zu tun?«
»Möglicherweise. Ich würde gern auch Dr. Vollnhals danach fragen. Können Sie mir weitere Namen von Freundinnennennen, die vielleicht einmal in Frau Dr. Strauss’ Wohnung waren?«
Sie holte einen Notizblock aus der Schublade und schrieb einige Namen und Telefonnummern auf. Dann riss sie den Zettel ab und reichte ihn Leo. »Ich nehme an, alles Weitere lese ich in der Zeitung.«
»So ist es.«
Er griff nach Hut und Mantel und verabschiedete sich, nicht ohne einen anerkennenden Blick auf die Bilder
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