Die Tote von San Miguel
ein Feuer in seinen Augen. »Wo ist Gregori Gregorowitsch jetzt?«, fragte er.
Ortiz, der im Revier aufgetaucht war, als Jane gerade ihren zweiten Tequila trank, parkte den Polizeiwagen einen Häuserblock vom Eingang des The Pines entfernt. Auf dem Passagiersitz neben ihm überprüfte Diaz zum zweiten Mal im Verlauf der letzten zwölf Stunden das Magazin seiner Glock. Ein weiteres amtlich aussehendes Fahrzeug hielt direkt hinter ihnen. Es war ihre Rückendeckung: Corporal Florio von der Policía Preventiva und ein junger Polizist, den Diaz noch nie zuvor gesehen hatte und der seiner äußeren Erscheinung nach gerade einmal fünfzehn Jahre alt sein konnte.
Ortiz und die beiden Männer der Policía Preventiva warteten in der Lobby des Hotels, während sich Diaz im Büro des Portiers vorsorglich noch einmal von der genauen Lage der Suite überzeugte, in der Jane Ryder und Gregori Gregorowitsch abgestiegen waren. Dem Portier, einem schlecht rasierten Burschen in einem Flanellhemd mit abgeschnittenen Ärmeln, brach der Schweiß aus, als Diaz seinen Polizeiausweis zückte.
Nein, er hätte die beiden Gäste, die die Brautsuite gemietet hatten, das Hotel heute weder betreten noch verlassen gesehen, sagte er. Also wüsste er auch nicht, ob sich zurzeit gerade irgendjemand in der Suite befand. Und nein, keines der Zimmer hatte ein Telefon.
»Bleiben Sie ganz ruhig«, ermahnte ihn Diaz.
Er verließ die Lobby und führte seine Truppe durch den Garten und die Treppe des Seitenflügels hinauf, in dem er Gregori Gregorowitsch endlich zu fassen hoffte. Sie bewegtensich schnell und leise, bis auf einige knappe Anweisungen von Diaz sprach niemand ein Wort.
Der Flur im oberen Stockwerk war menschenleer. Eine der Neonröhren an der Decke flammte in regelmäßigen Abständen kurz auf und erlosch dann wieder, als litte sie unter einer manisch-depressiven Zwangsstörung. Diaz stellte fest, dass er auf Zehenspitzen durch den Gang schlich, die Glock schussbereit in der Hand.
Kann man sich noch alberner aufführen? , fragte er sich.
Kurz darauf trat Ortiz schwungvoll die Tür ein. Die Männer stürmten die Suite, schwenkten ihre Waffen und brüllten kurze knappe Befehle, als wären sie einer Polizeifernsehserie entsprungen.
Gregori Gregorowitsch, hager und vollkommen nackt, wirbelte erschrocken herum und schwenkte einen Pinsel durch die Luft, die Augen voller Panik weit aufgerissen. Aus dem erst halb fertigen Gemälde auf der Staffelei hinter ihm grinste eine nackte Jane Ryder die Polizisten lüstern an.
»Hände auf den Schwanz, capullo !«, schnauzte Diaz. »Und keine Bewegung!«
Der Pinsel in Gregorowitschs Hand fiel klappernd zu Boden.
Nachdem sich der Maler angekleidet hatte und seine Arme mit Handschellen hinter seinem Rücken gefesselt worden waren, führte Ortiz ihn die Treppe hinunter und die Schotterauffahrt entlang zu den Polizeifahrzeugen. Diaz bahnte ihnen den Weg durch eine kleine Gruppe von Gaffern, die sich in kürzester Zeit vor der Einmündung der Auffahrt in die Straße versammelt hatte. Florio, mit zwei Reisetaschen, einer altmodischen Schreibmaschine und einem noch nicht ganz fertigen erotischen Gemälde beladen, bildete die Nachhut.
Der jugendliche Polizist blieb im The Pines zurück, um zu verhindern, dass Neugierige die Brautsuite betraten, bevor die Spurensicherung ihre Arbeit beendet hatte. In San Miguel beschränkte sich die Spurensicherung darauf, ein paar Schwarzweißfotos vom Tatort zu schießen und ihn mehr oder weniger planlos auf Fingerabdrücke zu durchsuchen, Tätigkeiten, die normalerweise in Felicias Aufgabenbereich fielen. Solange sie noch dienstunfähig war, würde Armando für sie einspringen müssen.
Im Verhörzimmer des Reviers saß Gregorowitsch in sich zusammengesunken vor einem Tisch, die Ellbogen aufgestützt, das Kinn in den Händen vergraben, die ein V um seine Wangen formten, und starrte über Diaz’ Kopf hinweg auf einen Wasserfleck an der nackten, weißgetünchten Wand. In seinen Augen verwandelte sich der Fleck in die Konturen eines exotischen Tänzers, der mit Brennnesseln gezüchtigt wurde.
»Was wollten Sie Jane Ryder antun, wenn Sie ins Hotel zurückgekehrt wäre?«, fragte Diaz.
Gregorowitsch verdrehte die Augen. »Nichts. Überhaupt nichts.«
Armando, der neben Diaz saß, schrieb eifrig mit, obwohl auf dem Tisch ein Miniaturrecorder lag, dessen rotes Kontrolllämpchen wie ein blutunterlaufenes Auge glühte. Ein Zeichen, dass sich das Gerät im Bereitschaftsmodus
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