Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
gestritten. Unser fremder Gast stritt ebenfalls, aber in sehr kunstvoller Weise, so daß alle sahen, daß er stritt, es aber in einer sehr angenehmen Weise tat. Niemals sagte er: »Sie spielten aus«, sondern immer: »Sie beliebten auszuspielen«, »ich hatte die Ehre, Ihre Zwei zu stechen«, und anderes in dieser Art. Um seine Gegner noch mehr zu besänftigen, präsentierte er ihnen allen jedesmal seine silberne, emaillierte Schnupftabaksdose, auf deren Boden man zwei Veilchen bemerken konnte, die er um des Geruches willen hineingelegt hatte. Die Aufmerksamkeit des Reisenden fesselten namentlich die Gutsbesitzer Manilow und Sobakewitsch, deren wir oben Erwähnung getan haben. Er erkundigte sich sofort nach ihnen, indem er gleich dort den Gerichtspräsidenten und den Postmeister ein wenig beiseite rief. Einige Fragen, die der Neuangekommene stellte, zeugten nicht nur von seiner Wißbegierde, sondern auch von seiner Gründlichkeit; denn er erkundigte sich vor allen Dingen danach, wieviel Seelen ein jeder von ihnen besitze, und in welchem Zustande sich ihre Güter befänden, und dann erst fragte er nach ihren Vornamen und Vatersnamen. Darauf gelang es ihm in kurzer Zeit, die beiden Herren völlig zu bezaubern. Der Gutsbesitzer Manilow, ein noch keineswegs bejahrter Mann, der zuckersüße Augen hatte und sie jedesmal zusammenkniff, wenn er lachte, war von ihm ganz hin. Er drückte ihm sehr lange die Hand und bat ihn inständig, er möchte ihm die Ehre erweisen, zu ihm auf sein Gut zu kommen, das nach seiner Versicherung nur fünfzehn Werst von der Stadt entfernt lag, worauf Tschitschikow mit einer sehr höflichen Verneigung des Kopfes und einem herzlichen Händedrucke erwiderte, er sei nicht nur mit dem größten Vergnügen bereit, dies zu tun, sondern halte es auch für seine heiligste Pflicht. Sobakewitsch sagte ebenfalls etwas lakonisch: »Bitte, kommen Sie auch zu mir!« und scharrte dabei mit einem Fuße, der in einem Stiefel von so riesiger Größe steckte, daß man, von Herrn Sobakewitsch abgesehen, schwerlich irgendwo einen hineinpassenden Fuß hätte finden können, insonderheit in jetziger Zeit, wo auch in Rußland die Riesen auszusterben beginnen.
Am anderen Tage war Tschitschikow zum Mittag- und Abendessen beim Polizeimeister, wo sie sich um drei Uhr nach dem Mittagessen zum Whist hinsetzten und bis zwei Uhr nachts spielten. Dort lernte er unter anderen den Gutsbesitzer Nosdrew kennen, einen flotten jungen Mann von etwa dreißig Jahren, der ihn gleich nach den ersten drei, vier Worten zu duzen anfing. Mit dem Polizeimeister und dem Staatsanwalt stand Nosdrew ebenfalls auf du und du und verkehrte mit ihnen freundschaftlich; aber als sie sich hinsetzten, um hoch zu spielen, musterten der Polizeimeister und der Staatsanwalt außerordentlich aufmerksam seine Stiche und prüften fast jede Karte, mit der er herauskam. Am anderen Tage verbrachte Tschitschikow den Abend beim Gerichtspräsidenten, der seine Gäste, unter denen sich auch zwei Damen befanden, in einem etwas fettigen Schlafrock empfing. Dann war er auf einer Abendgesellschaft beim Vizegouverneur, auf einem großen Diner beim Branntweinpächter, auf einem kleinen Mittagessen beim Staatsanwalt, das übrigens viel gekostet haben mußte; dann auf einem Imbiß nach der Messe, den der Bürgermeister gab, und der ebenfalls soviel wert war wie ein Diner. Kurz, er konnte auch nicht eine Stunde zu Hause bleiben und kam in den Gasthof nur, um dort zu schlafen. Der Reisende verstand es, sich in all diese Verhältnisse hineinzufinden, und zeigte sich als einen erfahrenen Weltmann. Um was sich auch das Gespräch drehen mochte, er wußte sich immer daran zu beteiligen: war von einem Gestüte die Rede, so sprach er auch über Gestüte; redete man über gute Hunde, so machte er auch hierüber sehr sachverständige Bemerkungen; disputierte man über eine vom Gerichtshofe vorgenommene Untersuchung, so zeigte er, daß ihm auch das Gerichtsverfahren nicht unbekannt sei; fand eine Erörterung über das Billardspiel statt, so gab er sich auch in betreff der Kenntnis des Billardspieles keine Blöße; redete man über die Tugend, so sprach er auch über die Tugend sehr gut, sogar mit Tränen in den Augen; oder über die Fabrikation des Branntweins, so wußte er auch über die Fabrikation des Branntweins Bescheid; oder über Steuerinspektoren und Steuerbeamte, so urteilte er auch über diese so, als ob er selbst Steuerbeamter und Steuerinspektor gewesen wäre. Bemerkenswert
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