Die Traene des Drachen
in Finlays Worten, schien den König nicht im Geringsten zu berühren. Er sah kurz zu Darrach, der ihm dezent auf ermutigende Weise zunickte. Daraufhin erwiderte König Roghan: „Jetzt, da wir sie endlich gefunden haben, und die Zeichen ihre Echtheit bewiesen haben, können wir das Geheimnis um ihre Identität auch preisgeben. Sie ist eine Drachenreiterin, die in der Lage ist, den wahrscheinlich letzten existierenden Drachen zu finden und über ihn zu herrschen. Mit ihr an meiner Seite wird es ein Leichtes sein, Boraya zu erobern. Außerdem wird es mir mit ihrer Hilfe möglich sein, neues Land und andere Völker zu entdecken, die außerhalb unserer gegenwärtigen Reichweite leben.“ Roghan machte eine Pause, die Finlay sogleich ausnutzte. „Du bist tatsächlich davon überzeugt, dass dieses Mädchen in der Lage ist, einen Drachen zu finden, ganz zu schweigen davon, ihn zu reiten?! - Angenommen, du hast recht und sie ist die, für die du sie hältst, glaubst du, sie ist dazu bereit, dich bei deinen machtgierigen und größenwahnsinnigen Bestrebungen zu unterstützen?“
„ Mach dir darüber keine Sorgen. Ich verfüge über Wege und Mittel, sie davon zu überzeugen.“
„ Das kann ich mir denken.“ Finlay warf Maél einen verächtichen Blick zu.
Plötzlich erhob Darrach das Wort. „Prinz Finlay, ich weiß nicht, wie weit Eure Kenntnisse von unserer Geschichte zurückreichen. Aber vor Hunderten von Jahren lebten die Menschen einmal in friedlicher Koexistenz mit den Drachen. Warum soll dies jetzt nicht wieder möglich sein? Könnt Ihr Euch vorstellen, was für Möglichkeiten uns ein Drachen eröffnen kann, ganz zu schweigen von dem vielleicht tausend Jahre alten Wissen, das er in seinem Gedächtnis gespeichert hat. Wir wissen doch, dass König Locan vor hundertfünfzig Jahren nach dem Krieg gegen Feringhor nahezu alle schriftlichen Überlieferung bezüglich der magischen Welt und somit auch der Drachen im ganzen Königreich vernichten ließ, sodass wir uns glücklich schätzen müssen, die geheime Kammer mit den uralten Pergamentrollen gefunden zu haben, die zweifelsohne noch weit in die Zeit vor Locan zurückreichen.“ Doch Finlay hielt dagegen und erwiderte mit einer Stimme wie aus Frost: „Verzeiht, Darrach, dass meine Geschichtskenntnisse nicht ganz soweit zurückreichen. Aber mein Wissen bezüglich der Drachen reicht bis dahin, um zu wissen, dass es Zeiten gab, in denen sie erbitterte Kriege gegen die Menschen geführt haben, bei denen, wenn ich mich recht erinnere, die Zahl der Opfer auf Seiten der Menschen um ein Vielfaches höher war, als auf der Seite der Drachen. Dieses Wissen genügt mir.“
„ Genug jetzt, Finlay! Ich bin der König und ich entscheide über die Zukunft des Königreiches. Zumal du dich von deinen Pflichten selbst entbunden und auf jeglichen Anspruch verzichtet hast. – Ich will jetzt Maéls Bericht hören. Maél, erzähl uns von dieser jungen Frau!“
Maél und Jadora hatten sich darauf geeinigt, möglichst alles wahrheitsgemäß zu erzählen, um nicht Gefahr zu laufen, sich in Unstimmigkeiten zu verstricken. Sie erwähnten jedoch nicht die Zuneigung, die sich Maél und Elea gegenseitig entgegenbrachten, Eleas Gaben, Maéls Verwandlung, der Zwischenfall im Sumpf und Eleas Hilfe bei der Geburt der kleinen Elea. Dafür berichtete Maél ausführlich über ihre Persönlichkeit: ihre außerordentliche Willensstärke, Widerspenstigkeit, ihre Naturverbundenheit und ihre erstaunlichen heilkundigen Kenntnisse. Er hatte sich auch dazu entschlossen, von den Vogelansammlungen um sie herum zu sprechen, falls Darrach davon zu Ohren gekommen war. Auch vergaß er nicht, ihre bemerkenswerte Kunst des Bogenschießens zu erwähnen. In diesem Zusammenhang erzählte er zähneknirschend davon, wie sie ihm einen Pfeil ins Bein geschossen hatte und auch nicht davor zurückgeschreckt hatte, einen Mordversuch mit einem Messer gegen ihn zu unternehmen. Dieser Teil von Maéls Ausführungen zauberte auf Finlays ernster Miene, die er während Maéls und Jadoras Schilderungen angenommen hatte, ein schadenfrohes Lächeln. König Roghans Gesicht hingegen war bewunderndes Staunen zu entnehmen. Selbst von Darrachs Gesichtsausdruck war deutlich Bewunderung abzulesen. Maél, der ihn besser als jeder andere kannte, entdeckte mit einer gewissen Befriedigung darüber hinaus eine Spur von Besorgnis.
Jadora fügte noch hinzu, dass Elea bis zu der Reise nach Moray noch nie auf einem Pferd gesessen habe. Und zum Schluss
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