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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Matesic
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gab er ihm Tierblut zu trinken, ohne dass irgendetwas geschah. Dann versuchte er es mit seinem eigenen Blut. Zum Glück konnte er den damals erst achtjährigen Jungen, der sich sogleich in ein nach Blut gierendes Wesen verwandelte, noch ohne ernsthaftere Verletzungen bezwingen. Die heilende Wirkung von Blut erkannte Darrach daran, dass die frischen Brandwunden, die er dem Jungen einen Tag zuvor als Strafe zugefügt hatte, während seines verwandelten Zustandes verheilt waren. Ein paar Wochen später entdeckte der Zauberer, dass seine Blutgabe nicht folgenlos geblieben war. Denn eines Tages, als Maél in Lebensgefahr schwebte, hatte der Junge ihn an seinem geheimen Ort im Wald gefunden, wo er sich in schwarzer Magie übte. Maél wurde damals von einem mit einer Eisenspitze versehenen Pfeil eines Jägers in den Arm getroffen. Maél konnte sich jetzt noch an die Todesangst erinnern, die er empfand, als sich das Gift in seinem Körper immer mehr ausbreitete und ihn innerlich zu verbrennen schien. Nur diese Angst vor dem Tode veranlasste ihn, sich zu seinem Ziehvater und Folterknecht in einer Person zu begeben und dies mit einer unerklärbaren Gewissheit über dessen Aufenthaltsort. Er brach vor seinen Füßen mit unnatürlich hohem Fieber zusammen. Und da der Zauberer keine andere Möglichkeit sah, das Leben seines kostbarsten Schatzes zu retten, gab er ihm erneut von seinem Blut zu trinken. So kam also Maéls einzige Schwachstelle ans Tageslicht: die tödliche Wirkung von Eisen auf seinen Körper.
    Beim Umschnallen seines Gürtels durchfuhr ihn jäh der höllische Schmerz, der von seiner Hand in seinen Körper ausstrahlte. Dieser Schmerz entriss ihn seinen finsteren Erinnerungen an seine albtraumhafte Kindheit. Dankbar darüber stieg er in seine Stiefel und konzentrierte sein Denken und seinen unmenschlichen Spürsinn wieder auf Elea. Ein Blick aus dem geschlossenen Fenster verriet ihm, dass die Morgendämmerung kurz bevorstand. Er verließ sein Zimmer und machte sich mit eiligen, aber leisen Schritten auf den Weg zum Schlossgarten, der noch in vollkommener Dunkelheit eingetaucht war. Er fühlte mit jeder Zelle seines Körpers eine magische Kraft, die ihn zu einem bestimmten Gebäudetrakt hinzog. In sicherer Entfernung lehnte er sich an einen Baum, mit dem sein Körper zu einer schattenhaften Einheit verschmolz. Er versuchte, Elea mit all seinen Sinnen zu fühlen. Ihren so eigenen Duft nach Lavendel und Rosen konnte er nicht ausmachen. Aber seine Augen hefteten sich auf rätselhafte Weise auf ein ganz bestimmtes Fenster im vierten Stockwerk. Er stand bereits eine ganze Weile an dem Baum angelehnt, als er plötzlich Geräusche hörte, die aus dem Inneren dieses Zimmer zu kommen schienen. In der Tat schimmerte plötzlich ein rötliches Licht durch die Fensterverglasung hindurch, das er nur allzu gut kannte. Nein! Das kann nicht sein! Wie kann sie wissen, dass ich hier bin? Ist es nur Zufall oder eine neue Gabe? Das Fenster wurde geöffnet und Elea erschien mit ihrem leuchtenden langen Haar, in einem Fell eingewickelt, am Fenster. Er sah zu, wie ihre Blicke über den Schlossgarten schweiften. Er hatte nicht vor, auf sich aufmerksam zu machen. Aber durch seine Anspannung, hatte er sein Bein so fest gegen den Baum gestemmt, dass er einen Krampf bekam, sodass er seine Position ändern musste. Und genau diese kleine Bewegung verriet ihn. Er konnte sehen, wie beharrlich sie auf einmal in seine Richtung starrte. Hoffentlich kommt sie nicht auf die Idee, nach mir zu rufen! ... Was macht sie jetzt? Er beobachtete, wie sie ihre rechte Hand auf ihr Herz legte und mit flüsternder Stimme, aber für sein übermenschliches Gehör deutlich vernehmbar zu ihm sprach: „Maél, ich liebe dich. Du fehlst mir so sehr!“ Leises Schluchzen folgte darauf. Ein Schmerz in der linken Hälfte seines Brustkorbs, unerträglicher als der Schmerz in seiner Hand, nahm von ihm Besitz. So muss es sich anfühlen, wenn einem das Herz bricht. Er hatte das ununterdrückbare Bedürfnis, ihr zu zeigen, dass er sie verstanden hatte, auch wenn es riskant war. Er stellte sich für sie gut sichtbar mitten auf den Weg und blieb dort einige Augenblicke stehen, den Blick auf ihrem Gesicht geheftet. Dann hielt er es nicht mehr länger aus. Er musste sich von ihrem herzerschütternden Anblick lösen, um nicht die Fassung zu verlieren. Er wandte sich von ihr ab und eilte aus dem Schlossgarten. Es war ein Fehler hierher zu kommen. Ich darf es nicht wieder

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