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Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars

Titel: Weltraumpartisanen 14: Kurier zum Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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1.
    An Bord der Medusa hatte ich mich für eine Partie Schach in die nüchterne Einsamkeit meiner Kommandantenkammer zurückgezogen. Schach: Für mich bedeutete das mehr als jede andere Zerstreuung Erholung und Entspannung – nach langem Dienst im kalten, feindseligen Glanz der Sterne, nach endlosen Stunden im Cockpit, wenn in der Einförmigkeit selbst die alltäglichsten Gespräche erstarren.
    Dann und wann spielte ich gegen einen meiner Leute. Diesmal war mir nicht danach zumute. Vor mir lag die übliche, mehr oder minder leidige sonntägliche Verpflichtung – und bevor ich mich ihr stellte, wollte ich eine Weile mit meinen Gedanken allein sein. Ich spielte gegen den härtesten aller Gegner – gegen den Kampfcomputer.
    Die erste Partie ging klar an ihn. Meine jüngsten Erfolge hatten mich dazu verleitet, ihn zu unterschätzen. Er operierte listig und trickreich und war mir in seinen Überlegungen stets um mindestens zwei Züge voraus. Es war eine glatte Herausforderung. Ein Apparat lief mir auf einem intellektuellen Gebiet, auf dem ich mich für einen Meister hielt, den Rang ab.
    Ich stürzte mich erneut in die Schlacht. Diesmal setzte ich alles ein, was mir an Gaben zur Verfügung stand: Erfahrung, nüchterne Überlegung und Bluff. Wenn auch knapp – ich gewann. Der Computer spuckte seinen Zettel aus: Gebe auf. Und er fügte hinzu, wie man es einprogrammiert hatte: Gratuliere.
    Die dritte Partie, die ich gegen den Computer spielte, brachte mich erneut ins Schwitzen. Er drängte mich in die Defensive. Sein neunzehnter Zug jedoch geriet ihm zum Verhängnis. Er war sich dessen so sicher, mich in der Falle zu haben, daß er sich die entscheidende Blöße gab, auf die ich eine Stunde lang gelauert hatte. Seine Forschheit kostete ihn die Königin. Mit einem wahren Gefühl des Triumphes machte ich mich daran, ihn Zug um Zug schachmatt zu setzen. Lieutenant Stroganow rief an: »Sir, Sie sollten die Partie beenden. Hier laufen die Sicherungen heiß.«
    Ich lachte und gab zurück: »Einverstanden. Und richten Sie Ihrem Freund meine Empfehlung aus, Lieutenant. Und er möge noch einiges dazulernen, bevor er das nächste Mal gegen mich antritt.«
    Mein Triumph freilich war nicht ungetrübt. Der Verlust der ersten Partie wurmte mich.
    Ich sah auf die Uhr. Es war höchste Zeit, meiner sonntäglichen Pflicht nachzugehen. Nachdem ich mir die Jacke übergezogen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Messe.
     
    Der sonntägliche Gottesdienst an Bord von GR Medusa, die um diese Zeit mit einer Geschwindigkeit von rund einer Million Kilometern in der Stunde unter den Sternen dahinzog, unterschied sich nur wenig von all den unzähligen Andachten, die je an Bord eines Schiffes zur See oder im Raum gehalten worden waren. Und ob Kapitän eines Dreimasters mit geschwellten Segeln in längst vergangenen Jahrhunderten oder Commander eines modernen, protonengetriebenen Raumschiffes auf astralem Kurs: die Verpflichtung, zu gegebenem Anlaß – Sonntagmorgen – ein paar feierliche Worte zu sprechen, ließ sich weder abschütteln noch nach unten hin abwälzen. Es gab kein Gesetz, das dies vorschrieb; nirgendwo im Bordreglement war der sonntägliche Gottesdienst erwähnt. Dennoch fand er statt – auf der Medusa, ebenso wie auf manchem anderen einsam dahinziehenden Schiff –, denn das gehörte zur guten alten Überlieferung: niemand von den Pionieren der Raumfahrt wollte diese Kette abreißen lassen.
    Eine Woche zuvor hatte die Medusa Metropolis verlassen, nach gründlicher Werftüberholung, in deren Verlauf die mannigfaltigen schwereren und leichteren Schäden beseitigt worden waren, die das Schiff auf dem Helin davongetragen hatte; und nun, nach der Erprobung im Raum, befand sie sich zum Zweck einer kurzen Zwischenlandung im Anflug auf die Venus.
    Nachdem ich, die ledergebundene Bordbibel in der rechten Hand, die Messe betreten hatte, nahm ich mir Zeit und Muße, mit einem Gefühl von Stolz und Zuneigung die Gesichter meiner bereits vollständig versammelten Crew zu betrachten. Meist waren diese Männer über die verschiedenen Stationen des Schiffes verstreut, mit denen ich sie unwillkürlich gleichsetzte: und damit war ich schon bei meinem Sonntagsthema.
    Da war das sehnige, braune, stolze Zigeunergesicht meines Piloten und Captains, Grischa Romen; da waren die ruhigen grauen Jägeraugen meines bereits ergrauenden Navigators, Lieutenant Iwan Stroganow; da dunkelte das muskulöse Ebenholz meines Ersten Bordingenieurs, William Xuma; da

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