Die Tränen der Vila
auszusprechen, die sie sonst für sich behielt, wie es sich gehörte.
Konnte dasselbe auch für ihn gelten?
„Nun“, begann er vorsichtig, „auch ich weiß nicht, was es heißt, ein Mann zu sein. Ich war ein Kind, als man mich zu etwas machte, was zwischen Weib und Manne steht und keines von beiden ist.“
Die Erinnerung war verblasst im Lauf der vielen Jahre und doch so scharf konturiert, als läge sie erst kurze Zeit zurück. Man hatte ihm Opium gegeben und ihn ein Bad nehmen lassen, ein Bad in heißem Wasser, das erste seines Lebens, und dann war es geschehen. Es hatte ihm die Stimme gesichert, die Kardinal del Monte einst öffentlich mit der eines Engels verglichen hatte, und seiner Familie genügend Geld eingebracht, um auf Jahre davon zu leben. Dennoch hatte er seinen Eltern niemals vergeben, ganz gleich, wie unchristlich und undankbar das auch sein mochte.
„Warum solltest du auch, Pedro? Hasse! Hass macht lebendig. Schau mich an.“
„Man sagt, er habe Bilder kopiert und auf dem Jahrmarkt verkauft, damals in jenen ersten Jahren“, murmelte Gentileschis Tochter, die nach allem, was man hörte, gerade ihre eigenen Erfahrungen mit dem loderndsten aller Gefühle gemacht hatte.
Montojo nickte. „Niemand kannte Michelangelo Merisi aus Caravaggio“, entgegnete er. „Damals nicht. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich ihn zum ersten Mal sah.“
„Wo seid Ihr ihm begegnet?“, fragte sie unumwunden „Im Haus Eures Kardinals?“
„Das ist keine Geschichte für eine Dame“, sagte Montojo ausweichend.
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Tanja Kinkel
Der Meister aus Caravaggio
Eine Novelle
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