0938 - Die Blutgasse
Es war ruhig geworden an diesem Abend. Die Stimmung paßte zu den Herbsttagen. Die Bäume verloren allmählich das Laub. Lautlos trudelten die Blätter zu Boden.
Moss war allein am Ufer. Seine Kollegen lagerten an anderen Stellen, das wußte er. Er hätte auch zu ihnen gehen können, was er aber nicht wollte. Er fühlte sich zwischen ihnen nicht wohl. Sie widerten ihn manchmal an. Im Gegensatz zu den meisten von ihnen trank er nur wenig Alkohol. Er versuchte immer wieder, Fuß zu fassen, was ihm bisher nicht gelungen war, und er sorgte dafür, daß er noch ein Stück seiner Würde bewahrte, auch wenn die Kleidung gebraucht und schäbig war und seine wenigen Habseligkeiten in einen Rucksack paßten.
Der Verkehr rauschte um den kleinen Park herum. Immer wieder verirrten sich die Lichter der Scheinwerfer auf dem Gelände, als wollten sie etwas suchen.
Es war der erste Winter, den Ed in seiner unglücklichen Lage erlebte. Er war gespannt, wie er ihn überstehen würde. Tips und Ratschläge hatte er genügend bekommen, aber Theorie und Praxis klafften oft weit auseinander, und so würde er sich wohl auf sein Einfühlungsvermögen verlassen müssen. Zurück in das normale Leben konnte er nicht mehr.
Das war zerstört worden, auch wegen seiner Mithilfe, das gab Ed ehrlich zu. Er war tief gefallen, er hatte alles verloren, den Job, das Geld und seine Familie. Seine Frau war nur noch Vergangenheit, sie hatte sich von ihm abgewandt, als er gefeuert worden war. Statt zu ihm zu halten, hatte sie sich einen anderen geholt, der Geld besaß.
Moss seufzte. Es war ein langgezogener Laut, der aus seiner Kehle drang, und er spürte das plötzliche Brennen in seinen Augen, als bestünden die Tränen aus Säure.
Verfluchtes Schicksal. Ein Leben ohne Hoffnung, und das mit sechsund dreißig Jahren.
Und die Angst!
Die aber hatte ihn nicht allein gepackt, auch seine Leidensgenossen litten darunter, denn seit einigen Wochen kam es vor, daß einige von ihnen einfach verschwanden. Klammheimlich wurden sie aus dem Verkehr gezogen. Es gab sie plötzlich nicht mehr, sie waren weg und tauchten auch nie wieder auf.
Die Polizei stand vor einem Rätsel Es hatte lange gedauert, bis die Beam ten eingriffen. Erst als der vierte oder fünfte Penner verschwunden war, nahmen sie die Ermittlungen auf. Natürlich war es für die Beamten nicht leicht, festzustellen, ob die Nicht seßhaften weitergezogen oder vci schwunden waren.
Wer kümmerte sich schon um Pen ner?
Die Polizei druckte Handzettel Iii riet diesen Leuten darauf, nicht als Einzelgänger umherzuziehen, sondi sich zu mehreren zusammen schließen.
Die meisten hielten sich daran, abi nicht alle. Ed Moss wollte allem Im ben. Nicht daß er keine Angst gehabt hätte, doch er wußte auch, daß ihn dii anderen einfach nicht akzeptiei Sie spürten, daß er nicht so handelt, und dachte wie sie, daß er dieses Lei ten nur als Übergangssituation ansah und sich immer wieder Gedanken darüber machte, wie er es ändern konnte.
Er würde es ändern, bestimmt. Vielleicht war sogar ein Anfang gemacht worden, denn der Zufall hatte ihm eine Begegnung mit einem außergewöhnlichen Mann beschert, der Bill Conolly hieß, Journalist war und ihm zugehört hatte, als sie sich trafen.
Sie waren ins Gesprärh gekommen, denn beide hatten ihre Plätze auf derselben Parkbank gefunden, und die Geschichte, die sich Bill Conolly angehört hatte, war so intensiv und stark gewesen, daß er sich entschlossen hatte, die Dinge weiterzuverfolgen.
Ed Moss glaubte ihm sogar. Dieser Conolly war ein Mensch, auf den man sich verlassen konnte, denn er war auch zu einem zweiten und dritten Treffen gekommen.
Moss hatte ihm alles erzählt. Vom Verschwinden den Penner, und auch von den Gerüchten, die umherschwirrten, denn es wurde behauptet, daß sie mißbraucht wurden für irgendwelche medizinischen Versuche.
Welche Versuche das waren und ob sie wirklich mit der Medizin zusammenhingen oder ob etwas anderes dahintersteckte, das wußte keiner von ihnen zu sagen.
Manche sprachen auch von einem irren Killer, der es auf Stadtstreicher abgesehen hatte, die er nach der Gefangenschaft zuerst tötete, um sie dann zu zerstückeln.
So war es auch zu erklären, daß nie wieder jemand aufgetaucht war.
Man konnte die Leichenteile irgendwo vergraben, denn einsame Stellen gab es genug.
Wie dem auch sei, eines allerdings stand fest. Jemand machte Jagd auf Menschen. Ed Moss konnte nur hoffen, daß es ihn nicht auch erwischte, und er wollte
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