Die Tuchhaendlerin von Koeln
noch davon erzählen.
Aber ich bin jetzt vorausgeeilt.
Zum Glück teilt Gott uns nach großem Leid auch immer wieder Segen zu, damit wir die Freude am Leben nicht verlieren. So hatte ich auch in diesem ereignisreichen Jahr 1189 nicht die Zeit, mich lange meiner tiefen Trauer um Mathilde hinzugeben, denn im Herbst sollte das erste unserer Kinder heiraten. Meine älteste Tochter Blithildis, mein Feuerteufelchen, war die Braut.
Ehrlich gesagt war ich nicht traurig, wie viele Mütter, wenn ihr erstes Kind heiratet, sondern richtig erleichtert. Es wurde nämlich langsam etwas anstrengend, auf meine Älteste aufzupassen! Heute kann ich es ja ruhig erzählen, und du wirst vermutlich nur darüber lachen, denn unsere liebe Blithildis ist ja inzwischen eine reputierliche Ehefrau und Mutter und dazu eine gestandene Kauffrau. Aber damals war es so:
Es war bald nach meiner Rückkehr aus Braunschweig, wo ich sehr traurig an Mathildes Beisetzung teilgenommen hatte. Sie geschah im kleinsten Kreis, denn niemand aus ihrer Familie war anwesend. Eine große Trauerfeier konnte erst mit ihrem Gemahl stattfinden, aber der war ja auf drei Jahre
verbannt, und niemand in Braunschweig wußte, wo er sich gerade aufhielt.
Zurück in Köln kam ich dann langsam wieder auf andere Gedanken. Zum Beispiel fiel mir auf, daß ich meine Katze seit zwei Tagen nicht gesehen hatte. Ich hatte mir, Jahre zuvor nach Großvaters Tod, zwei seiner Katzenkinder erbeten, ein Pärchen, und seitdem bevölkerte eine Katzenfamilie unser Haus und unseren Hof.
Meine Katze hatte eine deutlich gerundete Leibesmitte gehabt, und ich durfte davon ausgehen, daß sie sich ein stilles Eckchen gesucht hatte, um dort ihre Kinder zur Welt zu bringen. Ich schaute also in allen Winkeln nach und fand sie nicht. Schließlich kam ich auf den Gedanken, im Stall nachzusehen. Solch einen Luxus konnten wir uns erst leisten, seit meine Eltern mir damals in ihrer Großzügigkeit das Nachbarhaus geschenkt hatten. Nein, ich will dich gar nicht damit langweilen, du brauchst also nicht so klagend die Augen zum Himmel zu erheben. Ich wollte nur sagen, daß wir seit damals mit dem doppelten Hof hinter den Gebäuden genügend Platz für einen Stall hatten, und das war sehr angenehm, weil zwei Pferde so immer griffbereit waren. Es war auch ausreichend Platz, um den Misthaufen hinter dem Stall anzulegen, also etwas entfernt von unserem Wohnhaus, und aus diesem Misthaufen habe ich dich einmal herausfischen müssen, als du mit zwei Jahren versucht hast, den Hahn einzufangen, der darauf stand und krähte.
Aber ich schweife ab. Ich ging also zu dem Stall und öffnete die Tür. Unser Knecht hatte offenbar vor kurzem die Angeln geölt, denn die Tür ging ganz leise auf. Ich hoffte, daß die Katze nicht etwa ihr Nest unter den Füßen der Pferde angelegt hatte, und spähte in die Winkel. Da hörte ich oben vom Heuboden herab ein vernehmliches Kichern, eindeutig weiblicher Natur, und dann das leise Lachen einer
Männerstimme. Ich stand still und horchte. Du brauchst mir nicht meine Neugierde unter die Nase zu reiben; als Hausfrau war ich schließlich auch für die Sitten unserer Angestellten verantwortlich, nicht wahr? Ich versuchte, die Stimmen zu erkennen. War es die Köchin? Die Kinderfrau sicher nicht, die war aus dem Alter heraus, wo man sich im Heu herumtreibt. Oder endet dieses Alter vielleicht nie?
Da kicherte es wieder, und dann ein deutliches: »Nicht doch! Laß das, oder ich haue dir auf die Finger.« O weh! jetzt erkannte ich die Stimme. Es war meine eigene Tochter Blithildis. Bei der Köchin wäre ich ja möglicherweise ganz leise wieder fortgegangen, aber hier mußte ich natürlich sofort einschreiten. Ich hob die Heugabel, ließ sie mit Gepolter auf den Boden fallen und rief: »Blithildis, komm herunter, und zwar auf der Stelle!«
Betretenes Schweigen. Dann erschien meine Tochter oben an der Leiter und schaute zu mir herunter. Zögernd stieg sie herab und sah mich verlegen und trotzig an.
»Und du auch, aber ein bißchen plötzlich«, rief ich hinauf. »Oder bist du so feige, daß du Blithildis allein ihre Strafpredigt entgegennehmen läßt?«
Einen Moment lang war es ganz still, der Mann mußte offenbar erst seinen Mut zusammenkratzen. Dann sah ich oben das hochrote Gesicht von Werner Hardefust. Zögernd kletterte auch er herab und stand mit hängendem Kopf vor mir. Ein rascher, prüfender Blick von mir: Die Kleidung der beiden war nicht so sehr in Unordnung, daß ich das
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