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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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musste er auch sein, um die Geschäftsbücher des Hauses Dudley zu führen. Gleichwohl legte er Wert darauf zu betonen, dass er nie mehr anstrebte, als ihm aufgrund seines Geburtsrechts zustand, und dass er solche Anmaßung bei anderen ebenfalls nicht dulden würde. Seiner Auffassung nach sollte kein Diener, so fleißig er auch sein mochte, danach streben, Gespräche über die humanistische Philosophie eines Erasmus oder die Traktate von Thomas Morus zu führen, und schon gar nicht in fließendem Französisch oder Latein. Und ich bezweifle stark, dass er begeistert gewesen wäre, wenn er gewusst hätte, wie viel von seinen Zahlungen an den Lehrer gerade dafür verwendet worden war.
    Schweigend ritten wir weiter und erreichten die Kuppe des Hügels. Da sich die Straße unter uns von hier an durch eine baumlose Ebene zog, stach mir die Leere des Landes ins Auge. Von den Midlands her war ich einen weiten Blick gewohnt, und wir waren auch noch gar nicht weit von ihnen entfernt – dennoch fühlte ich mich, als beträte ich fremdes Hoheitsgebiet.
    Rauch zog sich über den Himmel wie ein schmieriger Fingerabdruck. Ich bemerkte Zwillingstürme, dann massive Mauern, die sich in einem weiten Bogen um eine ausgedehnte Siedlung mit Wohngebäuden, Kirchtürmen, am Flussufer gelegenen Herrenhäusern und einem schier endlosen Gitterwerk von Straßen auftürmten – und all das wurde von der Themse geteilt.
    »Das ist sie«, erklärte Master Shelton. »Die große Stadt. London. Du wirst den Frieden des Landlebens früh genug vermissen – wenn dich nicht schon vorher Halsabschneider oder die Pest erwischen.«
    Ich konnte nur noch starren. London wirkte genauso riesig und unheilvoll, wie ich es mir vorgestellt hatte, und am Himmel segelten Rotmilane, als gäbe es in der Stadt Aas zuhauf. Doch als wir uns den gewundenen Mauern näherten, erspähte ich in ihrem Umkreis mit Nutztieren gesprenkelte Weiden, Kräuter- und Obstgärten und reiche Weiler. Allem Anschein nach konnte sich London auch großer ländlicher Gebiete rühmen.
    Wir erreichten eines der sieben Tore der Stadt. Verzaubert nahm ich alles in mich auf, was sich meinen Augen darbot: eine Gruppe übertrieben vornehm gekleideter Kaufleute, die auf einem Ochsenkarren hockte, einen Kesselflicker, der auf den Schultern ein mit klirrenden Messern und Kupfer behängtes Joch trug und dabei lauthals sang, eine Horde von Bettlern, Lehrjungen, geschäftigen Handwerksgesellen, Metzgern, Kürschnern und Pilgern. Mit einem Mal brach ein Streit mit den Torwächtern aus, die der Menge abrupt Stillstand befohlen hatten. Als Master Shelton und ich uns ebenfalls in die Schlange einreihten, blickte ich zu dem über mir aufragenden Tor hoch, umrahmt von zwei wuchtigen Gefechtstürmen, mit ihren von Ruß geschwärzten Schießscharten.
    Jäh erstarrte ich. Aufgespießt auf Pfählen, starrte aus blinden Augen eine Sammlung von blutbesudelten Köpfen auf mich herab – ein gespenstisches Festmahl für die Raben, die gierig an dem faulenden Fleisch zerrten.
    »Papisten«, knurrte Master Shelton neben mir. »Seine Lordschaft hat befohlen, dass ihre Schädel als Warnung zur Schau gestellt werden sollen.«
    Papisten waren Katholiken. Nach ihrem Glauben war nicht unser Monarch das Oberhaupt der Kirche, sondern der Papst in Rom. Mistress Alice war Katholikin gewesen. Obwohl sie mich dem Gesetz gemäß nach den Grundsätzen des reformierten Glaubens erzogen hatte, hatte ich sie nachts oft den Rosenkranz beten sehen.
    In diesem Moment fiel mir wie Schuppen von den Augen, wie weit ich hier von dem Ort entfernt war, den ich als mein Zuhause gekannt hatte, das einzige, das ich je gehabt hatte. Dort ließ man die Leute einfach so gewähren, wie sie wollten. Niemand machte sich die Mühe, die örtlichen Behörden zu holen und irgendjemandem Ärger zu bescheren. Hier dagegen konnte derlei einen Menschen anscheinend den Kopf kosten.
    Ein struppiger Wächter schlurfte auf uns zu und wischte sich im Gehen die fettverschmierten Hände an seinem Rock ab. »Keiner darf rein!«, bellte er. »Die Tore sind auf Geheiß Seiner Lordschaft geschlossen!« Er stockte abrupt, als er das Abzeichen an Master Sheltons Umhang bemerkte. »Bist du einer von Northumberlands Männern?«
    »Der Haushofmeister seiner Gemahlin.« Master Shelton zog eine Rolle mit Dokumenten aus seiner Satteltasche. »Hier habe ich Pässe, die mir und dem Jungen freies Geleit sichern. Wir werden am Hof erwartet.«
    »Ach, wirklich?« Der Wächter grinste

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