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Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Die Meute in London kann so grausam werden wie ein Bär im Burggraben.«
    Ich riss mich von dem Anblick los und kümmerte mich zunächst um mein Pferd. Cinnabars zitternde Flanken waren von einer feinen Schweißschicht bedeckt, und seine Nüstern blähten sich, doch er wirkte unversehrt. Die Menge stürmte unterdessen weiter zu einer breiten Straße mit Wohnhäusern auf beiden Seiten und mehreren Gasthöfen, deren Schilder im Wind schwangen. Viel zu spät fasste ich mir im Weiterreiten an den Kopf. Wie durch ein Wunder saß die Kappe immer noch darauf.
    Dann blieben die Leute stehen, ärmliche, einfache Menschen. Ich schaute zu, wie Gassenjungen auf Zehenspitzen herumschlichen und Hunde hinter ihnen hertrotteten. Diebe – und dem Aussehen nach zu schließen, nicht einer davon älter als neun Jahre. Bei ihrem Anblick fiel mir die Vorstellung nicht schwer, was für ein Halunke aus mir hätte werden können, wenn mich die Dudleys nicht bei sich aufgenommen hätten.
    Master Shelton zog eine verdrießliche Miene. »Sie versperren uns den Weg. Laufe los und sieh zu, dass du herausfindest, was die Leute da so anglotzen. Ich möchte uns nicht mit Gewalt einen Weg dort hindurch verschaffen, wenn es sich vermeiden lässt.«
    Ich reichte ihm meine Zügel, stieg erneut ab und zwängte mich durch die Menge. Dieses eine Mal wenigstens war ich dankbar für meine schmächtige Gestalt. Ich wurde beschimpft, mit Ellbogen gestoßen, geschubst, schaffte es aber, mich bis ganz nach vorn zu drängeln. Auf Zehenspitzen stehend, spähte ich vorbei an den gereckten Köpfen zu einer festgetretenen Lehmstraße, auf der sich ein unscheinbarer Reiterzug näherte. Schon wollte ich mich enttäuscht abwenden, als sich eine rundliche Frau neben mich schob und einen welken Blumenstrauß schwingend schrie: »Gott segne Euch, süße Bess! Gott segne Eure Hoheit!«
    Mit einem kräftigen Schwung schleuderte sie die Blumen in die Luft. Auf einen Schlag herrschte Stille. Einer der Männer im Reiterzug ritt näher zur Mitte, als wollte er etwas – oder jemanden – verdecken.
    Erst in diesem Moment bemerkte ich, halb hinter den größeren Pferden verborgen, ein scheckiges Streitross. Ich hatte ein gutes Auge für Pferde, und in diesem Tier mit dem gewölbten Rücken, der geschmeidigen Muskulatur und den tänzelnden Hufen erkannte ich auf Anhieb eine in England selten gesehene spanische Rasse, von der ein Exemplar mehr kostete als der gesamte Reitstall des Herzogs.
    Und dann wurde mein Blick von der darauf sitzenden Person angezogen.
    Obwohl ein Kapuzenumhang das Gesicht verdeckte und die Hände in Lederhandschuhen steckten, erkannte ich auf Anhieb, dass es eine Frau war. Gegen alle Gepflogenheiten war sie rittlings wie ein Mann aufgestiegen und trug kniehohe Reitstiefel, die sich vor den mit Mustern verzierten Seiten des Sattels abzeichneten – eindeutig Frauenstiefel. Nichts an ihr wies auf eine hohe Persönlichkeit hin, nur das Pferd. Zielstrebig ritt sie weiter, als wollte sie möglichst bald ihr Ziel erreichen.
    Und doch wusste sie, dass wir sie beobachteten, und hörte den Ruf der Frau, denn sie wandte ihr den Kopf zu. Zu meiner Überraschung schob sie sogar die Kapuze zurück, womit sie ein längliches, zart geschnittenes Gesicht offenbarte, das von einer Korona aus kupferfarbenem Haar umrahmt wurde.
    Und sie lächelte.

2
    Plötzlich nahm ich alles wie durch einen Nebel wahr. Die Worte des Torwächters fielen mir wieder ein: … jetzt verbreiten sie diesen Unsinn, dass Prinzessin Elizabeth mitten unter uns sein soll. Und ich verspürte tatsächlich einen Stich im Herzen, als der Reiterzug vorbeisprengte und verschwand.
    Nach und nach löste sich die Menge auf. Nur einer der Gassenjungen schlich gegen den Strom auf die Straße hinaus und barg den liegen gebliebenen Blumenstrauß. Die Frau, die ihn in die Luft geworfen hatte, stand immer noch wie gebannt da und starrte, die Hände gegen die Brust gepresst, den längst entschwundenen Reitern nach. In ihren müden Augen schimmerten Tränen.
    Mit verklärter Miene drehte sie sich zu mir um. »Hast du sie gesehen?«, flüsterte sie. Obwohl sie mir ins Gesicht schaute, beschlich mich das Gefühl, dass sie mich gar nicht wahrnahm. »Hast du sie gesehen, unsere Bess? Endlich ist sie zu uns gekommen – gepriesen sei Gott, der Herr! Nur sie kann uns aus den Klauen dieses Teufels von Northumberland retten.«
    Regungslos stand ich da, dankbar, dass meine Livree in der Satteltasche steckte. War das also das

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