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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Die Türen seines Gesichts
    (The Doors of His Face, The Lamps of His Mouth)
     
    Ich bin ein Ködermann. Niemand ist von Geburt an zum Ködermann bestimmt, außer in einem bestimmten französischen Roman, in dem jede Person als Köder dient. (Ich glaube, der Titel heißt auch Wir alle sind Köder.) Es ist kaum wert, daß man erzählt, wie es bei mir dazu kam, aber die Tage, die ich mit der Bestie verbrachte, verdienen ein paar Worte.
    Das Flachland der Venus liegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger des Kontinents, den man als „Hand“ bezeichnet. Wenn man durch die Wolken stößt, kommt plötzlich ihre silbrig schwarze Kegelkugel auf einen zugerast. Man hat das Gefühl, vom Sitz gerissen zu werden, aber die Gurte, mit denen man in der feuerschwänzigen Rakete angeschnallt ist, verhindern zum Glück, daß man durchdreht. Meistens muß man später darüber lachen, aber am Anfang versetzt es einem doch immer einen ganz schönen Schock.
    Dann studiert man die „Hand“, um den Eindruck in sich aufzunehmen, und aus den zwei mittleren Fingern werden Archipele mit Dutzenden von Inseln, während die äußeren sich zu grüngrauen Halbinseln auflösen; der Daumen ist zu kurz und gekrümmt wie der embryoartige Schwanz von Kap Hoorn.
    Man atmet reinen Sauerstoff ein, seufzt vielleicht, und der lange Landeanflug ins Flachland beginnt.
    Schließlich taucht die Lifeline-Landefläche vor einem auf. Sie heißt so, weil sie so dicht bei dem großen Delta in der Ostbucht liegt, die zwischen der ersten Halbinsel und dem „Daumen“ ins Meer hinausragt. Zuerst glaubt man, Lifeline zu verfehlen und sein Leben unter den Fischen zu beenden, aber bisher ist das noch keinem passiert. Schließlich klettert man auf die verbrannte Betonfläche hinaus und reicht sein Bündel von Bewilligungen und Dokumenten dem kleinen fülligen Mann mit der grauen Mütze. Die Papiere beweisen, daß man nicht an Darminfektionen, Fußschweiß oder sonstigen Zivilisationskrankheiten leidet. Dann lächelt er einen an und zeigt einem einen Bus, der zum Empfangsgebäude fährt. Dort verbringt man die nächsten drei Tage und stellt damit unter Beweis, daß man tatsächlich nicht an Darmbakterien, Fußschweiß et cetera leidet.
    Langeweile kommt einem wie eine Krankheit vor. Wenn die drei Tage vorbei sind, stürzt man sich in die Vergnügungen von Lifeline, und das Ergebnis ist vorhersehbar. Die Auswirkungen von Alkohol in den unterschiedlichen Atmosphären haben den Wissenschaftlern Stoff für zahlreiche Abhandlungen geliefert, und ich will daher meine Bemerkungen darauf beschränken, daß ein richtiger Rausch mindestens eine Woche dauert und es oft wert ist, daß lebenslang darüber geforscht wird.
    Ich war ein aussichtsreicher Student. Zwei Jahre lagen noch vor mir, als die Spiegelblanke See durch unsere marmorne Wolkendecke fiel und ihre Ladung über unsere Stadt ergoß.
    Der Planetenalmanach hat über Lifeline folgendes zu sagen: „… Hafenstadt an der Ostküste der Hand. Einhunderttausend Einwohner, davon etwa fünfundachtzig Prozent Angestellte des Extraterrestrischen Forschungsinstitutes (nach der Zählung von 2010). Bei den übrigen Einwohnern handelt es sich in erster Linie um das Personal einiger Industriefirmen, die dort Grundlagenforschung betreiben. Der Rest besteht aus selbständigen Meeresbiologen, wohlhabenden Anhängern des Fischereisports und Spekulanten.“
    Ich wandte mich Mike Dabis zu – ein Spekulant wie ich – und brummte mißmutig, wie wenig doch aus all dieser Grundlagenforschung herauskomme.
    Er nahm einen langsamen Schluck aus seinem Glas, sah mich eine Weile an und meinte dann:
    „Carl, die wollen zur ‚Zehn’.“
    Ich hätte ihm eine reinhauen können. Am liebsten hätte ich sein Glas mit Schwefelsäure gefüllt und zugesehen, wie seine Lippen schwarz wurden und aufsprangen. Statt dessen brummte ich:
    „Wer ist denn so blöd und spuckt dreißig Riesen pro Tag aus. Die EFI?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Jean Luharich“, sagte er, „das Mädchen mit den violetten Kontaktlinsen und fünfzig oder sechzig perfekten Zähnen. Ich habe gehört, daß ihre Augen in Wirklichkeit braun sind.“
    „Verdient sie denn an ihren Gesichtscremes nicht mehr genug?“
    Er zuckt die Schultern.
    „Publicity. Du weißt ja, wie es ist. ‚Luharich Enterprises’ ist um sechzehn Punkt gestiegen, als sie den Sonnenpreis gewann. Hast du je auf dem Merkur Golf gespielt?“
    Das hatte ich, aber ich ging nicht darauf ein, sondern nahm ihn

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