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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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forderte jetzt nichts mehr; jetzt war ich frei, das Wort nicht zu predigen. Aber jetzt wollte ich es predigen, wenn auch anders. Ich wollte ein Wort predigen, das ich zu seinen Lebzeiten nie hätte aussprechen können.
    Ich kehrte zum Herbstsemester nicht zurück. Ich wollte die kleine Erbschaft antreten, hatte jedoch einige Schwierigkeiten, sie in die Hand zu bekommen, da ich noch unter achtzehn war. Aber schließlich gelang es mir.
    Ich ließ mich in Greenwich Village nieder.
    Ohne den Glaubensbrüdern und der Gemeinde meines Vaters meine neue Adresse zu sagen, fing ich an, täglich Gedichte zu schreiben und mir selbst Japanisch und Hindustani beizubringen. Ich ließ mir einen feuerroten Bart wachsen, trank Espresso und lernte Schach. Ich wollte ein paar andere Wege zum Heil ausprobieren.
    Nachher folgten zwei Jahre mit dem Friedenskorps in Indien – das trieb mir den Buddhismus aus und verhalf mir zu den Flöten des Krishna und dem Pulitzerpreis, den ich dafür erhielt.
    Dann kehrte ich wieder in die Staaten zurück, machte meine Promotion, schrieb linguistische Arbeiten und sammelte weitere Preise.
    Eines Tages flog ein Schiff zum Mars. Und als es wieder in New Mexico aufsetzte, trug es eine andere Sprache an Bord. Sie war phantastisch, exotisch, ästhetisch überwältigend. Nachdem ich alles gelernt hatte, was es daran zu lernen gab, und nachdem ich mein Buch geschrieben hatte, war ich in neuen Kreisen berühmt.
    „Geh nur, Gallinger. Tauch deinen Eimer in die Quelle und bring uns einen Schluck vom Mars. Geh, lerne eine andere Welt kennen, aber bleib du selbst, hab Geduld mit ihr – und reich uns ihre Seele in Iamben.“
    Also gelangte ich in das Land, wo die Sonne wie ein kupferner Penny und der Wind wie eine Peitsche ist, wo zwei Monde sich über den Horizont jagen und der höllische Sand einem die Haut aufreibt, wenn man ihn auch nur ansieht.
     
    Ich erhob mich von meiner Pritsche und trat an eines der Fenster in der dunklen Kabine. Die Wüste war ein endloser orange roter Teppich, unter den Jahrhunderte ihren Staub gekehrt hatten.
    Ich lachte.
    Ich hatte die Hochsprache schon in der Hand, besser gesagt auf der Zunge, wenn ich es ganz genau ausdrücken soll.
    Die Hochsprache und die Vulgärsprache waren nicht so unterschiedlich, wie es mir am Anfang erschienen war. Ich kannte die eine schon genügend, um der anderen nicht völlig fremd gegenüberzustehen. Die Grammatik und die gebräuchlicheren unregelmäßigen Verben konnte ich bereits; und das Wörterbuch, an dem ich arbeitete, wuchs Tag für Tag wie eine Tulpe und würde bald in Blüte stehen. Und jedesmal, wenn ich meine Bänder abspielte, wurde ihr Stiel länger.
    Jetzt war es an der Zeit, mein Genie zu erproben, meine Lektionen zu beschleunigen. Ich hatte bewußt Abstand davon genommen, die wichtigeren Texte in Angriff zu nehmen, bevor ich wirklich eine Chance hatte, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Ich hatte ein paar unbedeutende Kommentare gelesen, ein paar Verse, ein paar Bruchstücke aus der Geschichte. Und eines hatte mich immer wieder sehr beeindruckt.
    Sie schrieben von konkreten Dingen: Fels, Sand, Wasser, Winde; und der Tenor, der sich hinter dieser elementaren Symbolik verbarg, war ungemein pessimistisch. Das ganze erinnerte mich an buddhistische Texte, aber je mehr ich mich damit beschäftigte, desto klarer wurde mir, daß eine große Ähnlichkeit mit dem Alten Testament bestand. Und ganz besonders erinnerte es mich an das Buch Ecclesiastes.
    Und so würde es sein. Der Geist, ebenso wie das Vokabular, waren sich so ähnlich, daß es eine perfekte Übung abgeben würde, wie eine Übersetzung von Poe ins Französische. Ich würde mich wohl nie von Malann bekehren lassen, aber ich würde ihnen zeigen, daß ein Erdenmensch einst ähnlich gedacht, ähnlich empfunden hatte.
     
    Meine Fortschritte schienen M’Cwyie zu erstaunen. Sie starrte mich wie Sartres Anderer über den Tisch hinweg an. Ich las ein Kapitel im Buch Locar. Ich blickte nicht auf, aber ich spürte das dichte Netz, das ihre Augen um meinen Kopf spannen, meinen Kopf, die Schultern und die schnellen Hände. Ich blätterte eine Seite um.
    Wog sie das Netz, versuchte sie die Stärke ihres Fadens abzuschätzen? Wozu? Die Bücher sagten nichts von Fischern auf dem Mars. Ganz besonders nicht von Männern. Sie sagten, ein Gott namens Malann hätte einst ausgespuckt, oder er hätte (je nach der Version, die man las) etwas Ekelerregendes getan. Daraus sei dann das Leben

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