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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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seines Lebens. In der ersten Zeit machte er alles allein, schraubte halbe Nächte an den Autos herum oder kaufte im Großmarkt den Nippes ein, der ihn am Leben hielt. Als sich die Reparaturaufträge stauten, die Kunden in der Frühe nach Brötchen, spätabends nach Bier verlangten, legte er sich erfolgreich mit den Behörden an, hielt seinen Laden von morgens sechs bis Mitternacht in Gang und suchte sich einen Mitarbeiter, den er für das Hauptgeschäft fest anstellte. Das war Fokko van Steen. Dazu gibt es inzwischen eine große Zahl von Aushilfskräften, Schüler, Studenten und junge Mütter, die unter Fokkos Regie stundenweise an der Kasse arbeiten, während Dick Meier in der Werkstatt hämmert und schraubt.
    Die Tür ist geschlossen. Fokko klopft an die Scheibe des Nachtschalters. Anna kommt hinter dem Tresen zum Vorschein, erkennt ihn, freut sich und macht ein Zeichen, daß sie den Schlüssel holen muß. Fokko nickt. Anna arbeitet heute das erste Mal wieder, seit sie ihr Baby hat. Vor ein paar Wochen war sie mit dem Kinderwagen da. Kaum zu glauben, daß so ein prächtiger Kerl wie der Leo aus ihrem grazilen Körper gekrochen sein soll. Sie öffnet die Tür, legt die Arme um ihn und gibt ihm einen Kuß auf die Wange.
    »Schön daß du gekommen bist, Fokko.«
    Sie riecht nach den kleinen, bunten Ostereiern aus purem Zucker, die innen immer ein wenig flüssig waren und fürchterlich süß. Ihre Hände sind kälter als seine, obwohl sie die Heizung im Pavillon voll aufgedreht hat.
    »Es gibt Schnee«, sagt sie, schaut in den verhangenen Himmel und umfängt sich mit ihren zerbrechlichen Armen. Alles an ihr scheint ihm zerbrechlich, ihr dürrer, immer ein wenig gekrümmter Körper sowieso, aber auch ihr Mut, ihre gläserne Seele, die aus den großen, braunen Augen zu ihm schaut, als müßte er jetzt etwas ganz Bestimmtes tun.
    »Jau«, sagt er, schiebt sie in den Laden zurück und schließt die Tür. Die große Hitze läßt ihn frösteln, er zieht den Parka aus, die Schuhe, hängt die Socken über die Heizung, steht da wie ein Schiffbrüchiger und reibt sich die Hände warm.
    »Nass geworden?« Anna setzt eine neue Papierrolle in die Kasse ein. Er holt ein frisches Handtuch aus dem Nebenraum, nimmt auf dem Stuhl am Ende des Tresens Platz, von wo aus man den Kassenraum, die Zapfsäulen und ein Stück Straße im Blick hat, reibt sich die Füße trocken und schaut auf die Uhr über der Tür, die seit Mineralölgesellschafts Zeiten dort oben tickt. Wohl seit dreißig Jahren, ohne je für ein paar lächerliche Sekunden eine Pause einzulegen.
    »Jau«, sagt er.
    »Wohl nicht ganz freiwillig.«
    »Nee.« Die Zeit, die die Uhr über der Tür zeigt, hat er nicht begriffen. Er hat die Zeiger gesehen, vor allem den roten Sekundenzeiger, der nicht springt, sondern fließt wie die Zeit selbst, aber er hat nicht verstanden, was ihre Stellung bedeutet. So wird das im Alter sein, wenn man langsam wahnsinnig wird: man schaut die Uhr an und weiß, was eine Uhr ist, man erinnert sich, daß man mit Hilfe der Uhr die Zeit erfahren kann, aber man starrt auf die Zeiger und sie bedeuten soviel wie ein paar Zweige im Herbstwind.
    »Dick schon da?« fragt er. Sie schüttelt den Kopf. Ihr Haar ist für einen langen Moment in Bewegung, und ihm kommt es vor, als wollte es auf was Diskretes verweisen. Er schaut sich um. Die Regale sind prall gefüllt mit den Ingredienzien vollkommener Sättigung, mit dem Nippes, der dem Geschäft der Fortbewegung anhaftet wie ein farbenfroher Schorf. Der Kühlschrank summt sein Lied, präsentiert als gläserner Tabernakel die paradiesischen Herrlichkeiten von Coca-Cola und Langnese , auf dem Bildschirm neben den Zeitschriften rast ein Auto durch eine monochrome Landschaft und hinterläßt eine gigantische Wolke. Die linke Neonröhre flackert. Alles ist wie immer.
    »Der kommt heute nicht. Eine Freundin hat angerufen, sie sind irgendwo auf dem Lande und feiern.« Anna läßt die Abdeckung der Kasse einrasten. »Ist sowieso ruhig. War noch keiner zum Tanken da. Nur ein paar Jugendliche, die einen Sixpack wollten.«
    Sie steht plötzlich neben ihm.
    »Willste was Bestimmtes?«
    Er spürt ihre Wärme, die Ostereier-Aura und das Bedürfnis, sie zu berühren. Stattdessen nimmt er das Handtuch und legt es sorgfältig zusammen.
    »Nein«, sagt er dann, »ich muß mich nur aufwärmen. Und was frühstücken.«
    »Hättest doch nach Hause gehen können.«
    »Ja…« Er nimmt das Handtuch wieder auseinander und wischt auf

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