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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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1
Josef und seine Brüder
    In der staatlichen Sammlung moderner Meister in München hing im ersten Jahr nach dem Krieg mehrere Monate hindurch im Saal VI ein großes Gemälde, vor dem sich oft Leute ansammelten. Es stellte dar einen kräftigen Mann in mittleren Jahren, der, ein starkes Lächeln um die festen Lippen, aus langen, tiefliegenden Augen auf eine Schar von Männern schaute, die gekränkt vor ihm standen. Es waren ältere Männer von gehaltenem Aussehen, die Gesichter verschieden: offen, verkniffen, gewalttätig, behaglich. Eines aber hatten alle gemeinsam. Sie standen fest und satt da, bieder, überzeugt von sich und ihrer Sache. Es war offenbar ein übler Mißgriff vorgekommen, so daß sie mit Recht beleidigt, ja erbittert waren. Nur ein ganz junger Mensch unter ihnen, trotzdem ihn die Polizisten im Hintergrund besonders scharf beobachteten, hatte nicht diese gekränkte Miene. Vielmehr schaute er aufmerksam und vertrauend auf den Mann mit den langen Augen, der hier sichtlich als Herr und Richter fungierte.
    Die Menschen des Bildes und ihre Erlebnisse muteten bekannt an und fremd zugleich. Ihre Kleider konnten auch heute getragen werden, doch war mit Sorgfalt alles Modische vermieden, so daß man nicht erkannte, welchem Volk und welcher Zeit sie angehörten. Suchte man im Katalog nach dem Bild, so fand man unter Nummer 1437 als den Maler einen Franz Landholzer, als Bezeichnung des Bildes:
    Josef und seine Brüder
    oder: Gerechtigkeit
    (310 x 190)
    Von dem Maler Franz Landholzer waren andere Werke nicht bekannt. Der Erwerb des Bildes durch den Staat hatte Lärm gemacht. Der Maler war nicht sichtbar geworden. Er sei ein Sonderling, hieß es, lebe vagabundierend auf dem Land, habe unangenehme, aggressive Manieren.
    Die zünftige Kritik hatte mit dem Bild nicht viel anzufangen gewußt. Es war schwer einzuregistrieren. Ein Rest von Dilettantismus, von Nichtroutine war unverkennbar, schien mit Absicht ans Licht gestellt. Die seltsam außermodische, klobige Art der Malerei, trotzdem sie so wenig sensationell war wie der Gegenstand, brachte manchen Kritiker auf. Auch der Untertitel »Gerechtigkeit« wirkte aggressiv. Die konservativen Blätter lehnten ab. Die Neuerer verteidigten das Werk, ohne Schwung.
    Ehrliche sprachen aus, daß die fraglos starke Wirkung mit dem üblichen Vokabular der Kunstkritik nicht zu erklären sei. Viele Beschauer kamen immer wieder vor das Bild zurück, viele dachten über den Gegenstand nach, viele schlugen die Bibel auf. Da fanden sie die Geschichte von dem Spaß, den Josef mit seinen Brüdern macht, nachdem sie ihn, weil er ihnen bei ihrem Vater im Wege steht und weil er überhaupt anders ist als sie, verkauft haben, und nachdem er ein großer Herr geworden ist, Ernährungsminister des reichen Landes Ägypten. Sie kommen zu ihm, erkennen ihn nicht und wollen ein Getreidegeschäft mit ihm machen. Er aber läßt den Heimkehrenden einen silbernen Becher in ihr Gepäck hineinpraktizieren und die Unschuldigen wegen Diebstahls verhaften. Worauf sie mit Recht empört sind und beteuern, sie seien anständige Leute.
    Diese anständigen Leute also hatte der Maler des Bildes Nummer 1437 gemalt. Sie stehen da. Sie sind erbittert und verlangen ihr Recht. Sie sind gekommen, mit einem hohen Staatsbeamten einen für beide Teile vorteilhaften Abschluß zu tätigen. Nun traut man ihnen zu, sie hätten einen silbernen Becher mitgehen lassen. Sie haben vergessen, daß sie einmal einen gewissen Knaben verkauft haben, der ihr Bruderwar; denn das ist lange Jahre her. Sie sind sehr empört, aber sie benehmen sich würdig. Und der Mann lächelt sie an aus seinen langen Augen, und im Hintergrund die Polizisten stehen dienstwillig und etwas stumpf, und das Bild heißt »Gerechtigkeit«.
    Übrigens verschwand Nummer 1437 nach einigen Monaten wieder aus der staatlichen Galerie. Ein paar Zeitungen brachten Glossen über dieses Verschwinden, viele Besucher vermißten »Josef und seine Brüder« mit Bedauern. Aber dann verstummten die Zeitungen, allmählich verstummten auch die Fragen der Besucher, und das Bild wurde wie sein Maler vergessen.
2
Zwei Minister
    Der Justizminister Dr. Otto Klenk schickte trotz des Regens das wartende Auto nach Hause. Er kam aus dem Abonnementskonzert der musikalischen Akademie, angenehm erregt. Er wird jetzt etwas spazierengehn, später vielleicht noch ein Glas Wein trinken.
    Den Lodenmantel, den er liebte, um die Schultern, die Brahmssche Sinfonie noch im Ohr, die Pfeife wie stets

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