Die Unzertrennlichen
hingefallen ist. Das kam mir merkwürdig vor. Und dann hörte ich ihn schreien.«
»Wen?«, fragte Onkel Hannes.
»Gott, Hannes, bist du begriffsstutzig!«, seufzte die Großmutter und verdrehte die Augen.
»Na, den Doktor König. Er brüllte wie ein Verrückter. Ich bin sofort zur Mühle gelaufen. Er stand vor dem Haus, reckte die Arme zum Himmel und heulte und schrie.«
»Was?«, fragte Onkel Rudolf.
»Wie?«, meinte Felix Temmel.
»Was hat er geschrien?«
»Ich weiß es nicht mehr genau, er hat ständig einen Satz wiederholt: Eine liegt im Wasser, die andere stirbt im Feuer. Eine liegt im Wasser, die andere stirbt im Feuer. Dass ihnen recht geschieht. Dass man die Frauen alle umbringen soll. Weil sie die Männer zu Tode quälen. Oder so ähnlich. Ich habe durchs Fenster geschaut und gesehen, dass es im Haus brennt. Dass Sissi gefesselt und geknebelt im Lehnstuhl sitzt. Da habe ich gehandelt.«
Florian, der neben seinem Bruder saß, schaute zu ihm auf und streichelte seinen Ärmel.
»Uda!«, sagte er stolz. »Uta Uda! Tarka Uda!«
»Halt den Mund, Florian!«, sagte meine Großmutter. »Dich versteht doch kein Mensch.«
Florian zog beleidigt den Kopf ein.
»Und dann?«, fragte Tante Beate.
»Dann habe ich sofort Polizei, Rettung und Feuerwehr verständigt. Sie waren ziemlich schnell zur Stelle. Wenn man bedenkt, dass sie sich mit ihren Geräten und den Tragbahren zu Fuß durch den Graben kämpfen mussten. In der Zwischenzeit ist der Doktor zu Bewusstsein gekommen. Da hab ich ihm noch einmal auf den Kopf gehauen.« Er schmunzelte amüsiert. »Der Axtstiel hat gereicht. Sie haben beide ins Krankenhaus gebracht. Ich bin mitgefahren.«
»Du bist ein Held!«, rief Tante Dagmar und klatschte verzückt in die Hände.
Florian nickte vehement.
»Ich halte sie nicht aus«, murmelte die Großmutter. »Wer hält eine solche Schwiegertochter aus?«
»Na ja, dass die Mühle niederbrennt, konnte ich nicht verhindern«, sagte der Forstgehilfe. »Es ging so schnell. Sie ist klein, alles ist aus Holz. Ich war froh, dass ich mich und die beiden Verletzten vor den Flammen in Sicherheit bringen konnte.«
»Du hast mehr Glück als Verstand gehabt, Sissi«, stellte meine Großmutter fest. »Wie üblich. Unbeschreiblich, eine derartige Dummheit! Auf einen Menschen hereinzufallen, dem man seine Brutalität geradezu ansieht. Iss deine Suppe!«
Es verschlug mir die Rede, so verblüfft war ich über diesen Umschwung ihrer Sympathien um hundertachtzig Grad.
»Red keinen Unsinn und lass sie in Frieden!«, sagte der Großvater, der ausnahmsweise wach war und sich ausgiebig Suppe aus der Terrine des Festtagsservice nachschöpfte. »Sei froh, dass sie noch lebt.«
»Genau!«, sagte Onkel Hannes. »Sie könnte verkohlt in der Mühle liegen.«
»Sei still!«, herrschte meine Großmutter ihn an. »Denk an dein Herz.«
»Ach, die Mühle!«, sagte Tante Beate traurig. »Es gibt sie nicht mehr.«
»Also, mich hat der Doktor König auch nicht lange täuschen können mit seiner charmanten Art«, griff die Witwe Dirnböck die Bemerkung meiner Großmutter auf. »Jetzt kann ich es ja zugeben. Er war mir von Anfang an nicht geheuer. Es war sein Gesichtsausdruck.«
»Der Ausdruck eines Gewalttäters, man kann es nicht anders nennen«, brachte Tante Beate es auf den Punkt. Es schauderte sie leicht. »Ich habe es genauso empfunden.«
»Ganz recht«, stimmte die Witwe bei. »Das Gesicht eines Mörders.«
Entgeistert schaute ich von einer zur anderen. Es war nicht zu glauben.
»Na, na, meine lieben Pfarrkinder! Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!«, warf Hochwürden Wojcik besorgt ein. Niemand hörte auf ihn.
»Was hatten die beiden überhaupt in unserer Gegend zu suchen?«, fragte Onkel Hannes. »Zwei Dahergelaufene.«
»Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein«, mahnte Hochwürden beharrlich weiter.
»Ach was!«, sagte die Großmutter mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Man hat ihn auch als Arzt bei weitem überschätzt. Ich habe da von einem Fall gehört … Er soll ein Kind mit Scharlach völlig falsch behandelt haben. Die Kleine ist gestorben. Mit vier Jahren. Es wurde natürlich vertuscht.«
»Und diese Frau, die er hatte! Eine hochmütige Gans!«, sagte Tante Beate.«
»De mortuis nihil nisi bene«, sagte Hochwürden Wojcik und bekreuzigte sich erschreckt. Diesmal wurde er immerhin zur Kenntnis genommen.
»Was heißt denn das?«, fragte Onkel Hannes.
»Dass man über die Toten nur wohlwollend sprechen
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