Das Böse unter der Sonne
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A ls Kapitän Roger Angmering 1782 auf der kleinen Insel in der Bucht von Leathercombe ein Haus baute, hielt man das für den Gipfel der Verschrobenheit. Für einen Mann aus guter Familie wie ihn hätte sich ein ordentliches Herrenhaus mit großem Park gehört, mit guten Weiden und vielleicht auch einem kleinen Fluss.
Aber Kapitän Angmering hatte nur eine einzige Liebe – das Meer. Und deshalb baute er sein Haus, ein massives, festes Haus, wie es in diesem Teil Englands üblich war, auf der kleinen windgepeitschten Insel, die nur bei Ebbe vom Festland aus zu erreichen war.
Angmering heiratete nie. Das Meer war seine große und einzige Liebe. Nach seinem Tod erbte ein entfernter Vetter Haus und Insel. Dieser Vetter und seine Nachkommen hielten wenig von der Erbschaft, obwohl der Familienbesitz mit der Zeit zusammenschmolz und die Familie immer ärmer wurde.
1922, als es große Mode geworden war, zur Erholung an die See zu fahren, und die Leute das Klima an der sommerlichen Küste von Devon und Cornwall nicht mehr als zu heiß empfanden, musste Arthur Angmering feststellen, dass sein großer unpraktischer Besitz aus dem achtzehnten Jahrhundert unverkäuflich war. Aber für das seltsame Haus und die Insel seines seefahrenden Ahnen bekam er einen guten Preis.
Das Haus erhielt Anbauten und wurde renoviert. Ein Betondamm verband nun die Insel mit dem Festland. Es entstanden Spazierwege und Aussichtspunkte, zwei Tennisplätze und Sonnenterrassen, die bis hinunter zu einer kleinen Bucht mit Badeflößen und Sprungbrett führten. Das Hotel «Jolly Roger» auf der Schmugglerinsel in der Bucht von Leathercombe stand da in seiner ganzen Pracht. Von Juni bis September und während der kurzen Saison an Ostern war es voll bis unters Dach. 1934 baute man eine Cocktailbar an, der Speisesaal wurde vergrößert, mehrere zusätzliche Badezimmer entstanden. Die Preise gingen in die Höhe.
«Waren Sie schon mal in der Bucht von Leathercombe?», fragten die Leute. «Wirklich ein nettes Hotel, auf einer Art Insel. Sehr bequem, keine Touristen und Ausflugsbusse. Gutes Essen und so weiter. Sie sollten da mal hinfahren.»
Und die Leute fuhren hin.
Im Augenblick hielt sich nur eine bedeutende Person (zumindest seiner eigenen Einschätzung nach) im «Jolly Roger» auf: Hercule Poirot. Er trug einen eleganten weißen Leinenanzug und einen Panamahut, den er sich schräg in die Stirn gezogen hatte. Von seinem Liegestuhl aus konnte er die ganze Badebucht überblicken, zu der man über eine Reihe von Terrassen vom Hotel aus hinuntergelangte. Am Strand lagen Luftmatratzen, Bälle, Segelboote und Gummispielzeug. Es gab ein großes Sprungbrett und in verschiedenen Abständen vom Ufer drei Badeflöße.
Ein paar Leute schwammen im Wasser, andere lagen ausgestreckt da und sonnten sich oder rieben sich mit Sonnenöl ein.
Auf der Terrasse direkt über dem Strand saßen die Nichtschwimmer und unterhielten sich über das Wetter, das Schauspiel am Strand, die Artikel in den Morgenzeitungen und alle möglichen anderen Themen, an denen sie Gefallen fanden.
Links von Poirot saß Mrs Gardener und strickte mit klappernden Nadeln, während freundlich und monoton ein ununterbrochener Schwall von Worten aus ihrem Mund drang. Neben ihr, auf der anderen Seite, lag ihr Mann Odell C. Gardener mit über die Augen geschobenem Hut in einem Liegestuhl und äußerte hin und wieder kurze zustimmende Worte, wenn es von ihm verlangt wurde.
Miss Brewster, eine drahtige, sportliche Frau mit grauem Haar und einem offenen, wettergegerbten Gesicht, saß rechts von Poirot und machte von Zeit zu Zeit eine mürrische Bemerkung. Das Ergebnis klang eher, als unterbreche ein Schäferhund mit kurzem dunklen Bellen das unaufhörliche Gekläff eines Spitzes.
«Und deshalb meinte ich zu Mr Gardener», sagte Mrs Gardener eben, «Sehenswürdigkeiten zu besichtigen ist ja schön und gut, und ich seh mir ja auch gern alles gründlich an. Aber schließlich, sagte ich, kennen wir England nun ziemlich gut, und ich sehne mich nach einem stillen Plätzchen am Meer, wo ich mich ausruhen kann. Habe ich das nicht gesagt, Odell? Ausruhen, habe ich gesagt. Das brauche ich. Stimmt’s, Odell?»
«Ja, meine Liebe», murmelte Mr Gardener.
Mrs Gardener ließ nicht locker. «Ja, also, als ich das Mr Kelso vom Cooks-Büro erzählte… Er hat alle unsere Reisen zusammengestellt und war in jeder Beziehung äußerst hilfsbereit. Ich weiß wirklich nicht, was wir ohne ihn gemacht hätten…
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