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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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gewesen. Was auch passieren mag, ich werde zusehen, dass man sich um sie kümmert. In ihrem gegenwärtigen Zustand stellt sie für niemanden eine Gefahr dar. Der Tod Draculas ist wie der Untergang eines Kontinents gewesen, und Prinzessin Asas Verstand ist von den Strudeln in den Mahlstrom gesogen worden.
    Dracula hat uns allen so viel bedeutet. Als die Ältesten zu der Verlobung zusammenkamen, sah man, wie viele ihn kopierten. Sie trugen Kleidung, deren Stil er einmal aufgebracht und dann wieder verworfen hat, diese ganzen rot gefütterten schwarzen Umhänge und gestärkten Frackhemden. Sie gaben den Grafen, den Prinzen, den Baron, genau wie er. Sie erweckten Teile seiner Biografie wieder zum Leben, wie die Mitarbeiter von spießbürgerlichen Reiseunternehmen, die ständig seine Taten nachspielen.
    Warum war ich es, die ihn tötete?
    Erinnerst du dich an Van Helsing, Katie? Und weißt du noch, wie Mr. Stoker sich in seinem merkwürdigen Buch ausmalte, wie der Professor und seine unerschrockenen Begleiter den Grafen jagten und zur Strecke brachten? In Mr. Stokers Welt, wie sie hätte sein sollen, waren sie alle stark - Mina, Jack Seward, Jonathan,
sogar Art - und in dem ganz normalen Lauf der Welt, wie sie war, wären sie stark genug gewesen. Aber Dracula war mehr als ein Mensch, mehr als ein Vampirältester. Er war eine Idee, eine Philosophie, eine große, einfache Antwort für ein Zeitalter, das der komplizierten Fragen müde wurde. Wir können ihm das nicht vorwerfen. Wir haben ihn uns ausgesucht.
    Es wurde Zeit, dass jemand dem Ganzen ein Ende setzte.
    Ich war am besten dafür geeignet. Ich war keine Marionette dieses Wesens, dem wir im Kolosseum begegnet sind - jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Aber sie war auch dort. Damit hattest du Recht, Katie. Ich glaube, ihre Vorstellungen über Vampirälteste wurden durch seine Gegenwart gleich hinter den Grenzen ihres Territoriums geformt. Alles, was sie über ihn an Vermutungen anstellte und was sie in den Herzen seiner Nachahmer las, traf auf dich nicht zu, Geneviève, und wird auch auf dich nicht zutreffen, Katie. Aber auf mich schon.
    Mein Herz ist tot. Meine Liebsten sind tot. Es wird keine weiteren geben.
    Als ich seine Gruft betrat, machte der Graf keinen Versuch, sich zu wehren. Es war keine Szene, wie Mr. Stoker sie beschreibt: die zögernden Vampirjäger, die sich dem überwältigenden Monstrum nähern, sich ihm entgegenstellen, die die Kräfte des großen Guten heraufbeschwören, um das titanische Böse zu besiegen. Ich glaube, er hat mich erwartet. Ganz ruhig auf mich gewartet. Er wollte auf sein eigenes Fest nicht gehen.
    Ich habe ihn getötet, weil ich ihn und alles, was er meiner Welt angetan hat, hasste. Ich habe ihn getötet, weil ich ihn liebte und ihm die Demütigung ersparen wollte, die zwangsläufig gekommen wäre, wenn sein Zustand öffentlich bekannt geworden wäre. Ich habe ihn getötet, weil ich es konnte.
    Ich stieß ihm das Skalpell ins Herz. Er griff danach - sehr scharfsinnig, Katie -, doch nicht, um es herauszuziehen, sondern
um es dort festzuhalten, als ob er seinem Herzen zutraute, es aus seiner Brust herauszuspucken.
    Ihr seht, ich hatte für dieses Verbrechen einen Komplizen. Graf Dracula persönlich.
    Am Ende, als sein Herz barst, sah ich das alte Leben in seinen Augen. Er hatte so viele Jahre über den Tod triumphiert, aber seinen letzten Sieg errang er über das Leben. Über sein eigenes. Es kostete ihn seine gesamte große Kraft, und er hätte es ohne mich nicht geschafft.
    Ich glaube, ich war sein Geschöpf, wie dieser scharlachrote Henker das Geschöpf der Hexe war. Er nahm mich bei sich auf und formte mich durch behutsame Einflussnahme zu dem Schwert, in das er sich stürzen konnte. Vielleicht deute ich zu viel in einige Dinge hinein, versuche, die Schuld von mir abzuwälzen. Das wäre durchaus typisch für mich, wie du gewiss bestätigen wirst, Katie.
    Ich verließ ihn, damit er allein starb.
    Es war das Mädchen, bin ich überzeugt, das ihm den Kopf abgeschnitten und diesen zum Spielen genommen hat. Wie wir wissen, neigt die Kleine zum Theatralischen. Ich glaube, sie hatte diese große Geste, den Kopf auf der Pike, als Warnung an uns gemeint. Sie hat mich nicht dazu gebracht, es zu tun, aber sie wusste, was ich tat. Ich kann es nicht erklären, aber ich glaube, wir haben inzwischen gelernt, was sie anbelangt, keine Erklärungen zu erwarten. Du bist in das Ganze hineingeraten, Katie. Du warst dort, als das Mädchen seinen Kopf

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