Die Vampirjaegerin
die ich selbst nicht viel übrighabe, einen beträchtlichen Groll.«
Turquoise begann schon, sich zu langweilen. Wahrscheinlich lief diese langatmige Einleitung nur auf ein weiteres Jobangebot hinaus.
Ravyn wandte sich bereits zum Gehen. Turquoise überlegte, ob sie ihrem Beispiel folgen sollte, doch die nächsten Worte der Frau ließen sie innehalten.
»Eure Vergangenheit lässt einiges von euch erhoffen, denn ihr habt beide unangenehme Erfahrungen mit dem Handel gemacht.«
Turquoise brauchte nicht zu fragen, welcher Handel gemeint war. An der plötzlichen Anspannung in Ravyns Körper, als diese sich umwandte, erkannte sie, dass sie die Worte ebenfalls verstanden hatte.
»Was wissen Sie von unserer Vergangenheit?«, fragte Ravyn mit einer Stimme so seidig wie der Faden einer Schwarzen Witwe.
Jillian Red seufzte.
»Du, Ravyn, bist den Vampiren das erste Mal aufgefallen, als du fünfzehn warst.
Ein unbedeutender Händler namens Jared hat dich in den Sklavenhandel gebracht.
Du hattest zwar das Glück, den professionellen Sklavenhändlern zu entkommen, aber das Unglück ...«
Ravyn schüttelte den Kopf, sodass ihr das rote Haar um die Schultern wallte.
»Sie brauchen nicht weiterzusprechen.«
»... das Unglück«, fuhr Jillian fort, »dich mitten unter Vampiren wiederzufinden, die Jareds Besitzanspruch respektierten und dir daher unter keinen Umständen zu Hilfe kamen, egal wie sehr es ihnen missfiel, wie er dich behandelte.«
Ravyn war mittlerweile sichtlich zornig. Sie war so angespannt, dass Turquoise fürchtete, ihre Knochen und Sehnen würden bersten, wenn sie sich bewegte.
»Kurz nachdem er dich erworben hatte, wurde Jared tot aufgefunden«, schloss Jillian, »und etwa eine Woche später kamst du zu Crimson.«
»Um was für einen Auftrag handelt es sich?«, fragte Ravyn.
»Sollen wir uns irgendwo hinsetzen und die Details besprechen?«, schlug Jillian vor. »Selbst wenn ihr mein Angebot nicht annehmt, was ich bezweifle, werdet ihr für eure Zeit reichlich entschädigt werden.«
»Gehen Sie voran«, sagte Turquoise, da Ravyn nicht sofort antwortete. Wenn diese Frau über ihre eigene Vergangenheit genauso viel wusste wie über Ravyns, könnte sie durch dieses Wissen unbequem, wenn nicht gar gefährlich werden. Es konnte nicht schaden zu erfahren, was sie wollte.
Kapitel 2
Fünfzehn Minuten später saßen sie an einem kleinen Tisch in Jillian Reds Hotelzimmer und betrachteten einige Bilder, die sie aus ihrer Aktentasche zog.
»Dies ist die Kopie eines Gemäldes aus dem Jahre 1690«, erklärte ihre Gastgeberin, als sie das erste Foto auf den Tisch legte. »Gehe ich recht in der Annahme, dass keine von euch es kennt?«
Das Gemälde zeigte ein beeindruckendes Gebäude, dessen Außenmauern schwarz gestrichen waren und ein abstraktes Muster in Rot trugen. Dieses Muster setzte sich im Vordergrund in einem bordeauxroten Rankengewächs fort, das sorgfältig um einen schwarzen Stein gepflanzt worden war. Ein Weg aus weißen Steinplatten schlängelte sich zur Tür hin, die von üppigen Rosensträuchern flankiert wurde. Die Blüten hatte der Künstler sorgfältig ausgearbeitet. Sie waren tiefschwarz.
Das Gemälde kam Turquoise bekannt vor, sie konnte es jedoch nicht einordnen.
Jillian Red hob zu einer Geschichtsstunde an: »Im frühen siebzehnten Jahrhundert gründeten zwei Vampirschwestern ein Imperium, das sie Midnight nannten. Dieses Gebäude hier war das Zentrum, sozusagen das Symbol ihrer Macht. Sie waren kaum fünfhundert Jahre alt, was im Vergleich zu den meisten anderen ihrer Art recht jung ist, doch sie waren skrupelloser und zielstrebiger als ihre älteren Artgenossen. Durch ihre Entschlossenheit konnten sie schnell die Herrschaft erlangen.«
Jillian sah zur weißen Stuckdecke auf und fuhr fort: »Jeshickah, die jüngere Schwester, war die unangefochtene Herrscherin von Midnight. Einige Jahrhunderte lang kontrollierte sie fast alle Vampire, Formwandler und Hexen. Was die Menschen anging, so galten sie kaum mehr als Vieh. Wurde ein Mensch nach Midnight verkauft, war dies sein Ende.«
»Sie sprechen von Midnight immer in der Vergangenheit«, dachte Turquoise laut. Sie wollte endlich zur Sache kommen und erfahren, worum es bei diesem Job ging. Sie konnte Geschichte nicht viel abgewinnen und den Sklavenhandel bei den Vampiren kannte sie wesentlich besser, als ihr lieb war. »Um was geht es denn jetzt?«
»Dazu komme ich schon noch«, tadelte Jillian sie. »Im frühen achtzehnten Jahrhundert
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