Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
bekommen?« schrie Errtu. »Hat Al Dimeneira den Gesprungenen Kristall?«
Telshazz zitterte und wimmerte: »Ja, mein Herr, das heißt, nein, mein Herr.«
Errtu kniff seine roten Augen zusammen und funkelte Telshazz böse an.
»Er konnte ihn nicht zerstören«, erklärte der kleine Tanar-Ri schnell. »Crenshinibon hat ihm die Hände verbrannt!«
»Pah!« schnaubte Errtu höhnisch. »Dann hat Al Dimeneira also auch seine Macht überschätzt. Und wo ist Crenshinibon jetzt? Hast du ihn mitgebracht, oder ist er in dem zweiten Kristallturm geblieben?« Telshazz wimmerte wieder. Es behagte ihm nicht, seinem grausamen Meister die Wahrheit sagen zu müssen, aber er wagte auch nicht, ungehorsam zu sein. »Nein, Meister, er ist nicht im Turm«, flüsterte der kleine Tanar-Ri.
»Nicht?« schrie Errtu. »Wo ist er denn?«
»Al Dimeneira hat ihn weggeworfen.«
»Ihn weggeworfen?«
»Über die Ebenen hinaus, gnädiger Meister!« jammerte Telshazz. »Mit seiner ganzen Kraft!«
»Über die Existenzebenen hinaus?« knurrte Errtu.
»Ich habe versucht ihn aufzuhalten, aber...«
Der gehörnte Kopf schoß nach vorne. Telshazz gurgelte noch wenige unverständliche Worte, während Errtu ihm mit seinen Hundefängen die Kehle zerriß.
Fern von der Düsternis der Hölle kam Crenshinibon auf der Welt zur Ruhe. Weit oben im nördlichen Gebirge der Vergessenen Reiche ließ sich der Gesprungene Kristall, dessen Verderbtheit von nichts und niemandem übertroffen wurde, im Schnee eines schalenförmigen Tals nieder. Und er wartete.
BUCH 1
Zehn-Städte
Der Handlanger
Als die Karawane der Zauberer vom Hauptturm des Geheimwissens den schneebedeckten Gipfel von Kelvins Steinhügel am flachen Horizont erblickte, war ihre Erleichterung deutlich spürbar. Die anstrengende Reise von Luskan zu dieser entlegenen Grenzsiedlung, die Zehn-Städte genannt wurde, hatte mehr als drei Wochen gedauert.
Die erste Woche war nicht sehr beschwerlich gewesen. Die Karawane hatte sich dicht an der Schwertküste gehalten, und obwohl sie sich in der nördlichsten Region der Reiche aufhielt, war die sommerliche Brise, die fast ständig von der Spurenlosen See herüberwehte, recht wohltuend gewesen.
Aber als sie dann die westlichsten Ausläufer des Grats der Welt umrundet hatten, jener Gebirgskette, die von vielen die nördliche Grenze der Zivilisation genannt wurde, und als sie schließlich in das Eiswindtal eingebogen waren, war den Zauberern schnell klargeworden, warum man ihnen von dieser Reise abgeraten hatte. Eiswindtal war eine öde, zerklüftete Tundra, die sich über tausend Quadratmeilen erstreckte. Sie war ihnen als die unwirtlichste Gegend der Reiche beschrieben worden, und nach nur einem einzigen Reisetag auf der nördlichen Seite des Grats der Welt fanden Eideluc, Dendybar der Bunte und die anderen Zauberer aus Luskan, daß dieser Ruf wohlverdient war. Eingegrenzt von unpassierbaren Gebirgszügen im Süden, von einem gewaltigen Gletscher im Osten und einem unzugänglichen Meer mit zahllosen Eisbergen vom Norden bis in den Osten war Eiswindtal nur durch den einen Paß zwischen dem Grat der Welt und der Küste erreichbar, über einen Weg, der selten benutzt wurde, und dann auch nur von den robustesten Händlern.
Für den Rest ihres Lebens würden den Zauberern zwei Erinnerungen bleiben, wann immer sie über diese Reise nachdenken würden. Es waren zwei Erfahrungen vom Leben in Eiswindtal, die kein Reisender jemals vergaß. Das war zum einen der Wind, der unaufhörlich stöhnte, so als stöhnte das Land selbst unter ständigen Qualen, und außerdem war da die unendliche Leere im Tal, die meilenweit nur von dem graubraunen Horizont begrenzt wurde.
Das Ziel der Karawane waren zehn kleine Städte, die die einzige Abwechslung in dieser Landschaft boten. Sie lagen an den drei Seen der Region an der Flanke des einzigen Berges, im Schatten von Kelvins Steinhügel. Wie alle anderen auch, die durch dieses rauhe Land nach Zehn-Städte reisten, stand den Zauberern der Sinn nach den feinen Schnitzereien aus den Schädelknochen der Knöchelkopfforelle, die in den Seen lebte.
Doch einige der Zauberer hatten noch anderes im Sinn, und diese Ziele waren hinterhältig genug.
Der Mann wunderte sich, wie leicht die schmale Schneide die Robe des älteren Mannes durchschnitt und immer tiefer in das runzelige Fleisch eindrang.
Morkai der Rote wandte sich zu seinem Lehrling um starrte ihn mit großen Augen an, voller Erstaunen über den Verrat. Denn er hatte jenen Mann
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