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Die Vergessenen

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Titel: Die Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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lief.
    »Du hast getan, was am besten war«, sagte Sanders, legte den Injektor vorsichtig in die Erste-Hilfe-Tasche zurück und schloss diese.
    Während er jetzt locker wieder die Kraft fand und sich aufsetzte, warf Grant ihr einen überraschten Blick zu. Er hatte erwartet, dass sie ihn ausschimpfte, ihm erklärte, er hätte sie rufen sollen, damit sie Shree versorgen konnte.
    »Am besten?«, wiederholte er. Er stützte sich mit einer Hand am weichen Boden ab, fühlte sich zuversichtlich, dass er aufstehen konnte.
    »Ich hätte ihr Leben retten können, aber wozu?« Sanders schüttelte den Kopf, nahm die Tasche zur Hand, richtete sich auf und wich zurück. »Sie gehörte zum Aufräumkommando. Wenn wir ihren Worten Glauben schenken, war sie dessen Anführerin. Das bedeutet, dass sie nicht nur versucht hat, hier Dschainatechnik freizusetzen und uns zu ermorden, sondern dass sie auch früher schon Menschen getötet hat, wahrscheinlich oft.«
    »Wo ist das medizinische Ethos geblieben, das dich bewegt hat, Proktoren zu retten?«, fragte Grant und musterte ihr Gesicht. Sie wirkte inzwischen härter auf ihn, herzloser, und doch war diese neue Haltung ein Produkt des Friedens, nicht des Krieges.
    »Immer noch vorhanden. Ich halte mich nur an das Polisrecht. Proktoren wie Tombs fielen unter eine Amnestie und sollten Gelegenheit erhalten, Wiedergutmachung zu leisten. Shree hat noch gemordet, als der Krieg lange vorbei und der Feind besiegt war.« Sanders blickte ihn offen an. »Das Mindeste, wofür ich sie gerettet hätte, wäre eine Verstandeslöschung gewesen.«
    Nach kurzer Unterbrechung sagte Tombs: »Wiedergutmachung leisten – das klingt beinahe religiös.«
    »Ja, nicht wahr?«, entgegnete Sanders.
    Grant drückte sich vom Boden ab, richtete sich in die Hocke auf und kam langsam auf die Beine. Der linke Arm hing noch schlaff an seiner Seite, aber das Bein war nicht mehr so verkrampft, fühlte sich nicht mehr so geschwollen an und konnte das Gewicht mühelos tragen. Fantastische Technik – und er konnte das wirklich beurteilen, denn er erinnerte sich noch daran, wie lange es gedauert hatte, wieder auf die Beine zu kommen, nachdem ihm zwei Jahre vor der Rebellion im Anschluss an eine Bombenexplosion Traubenholzsplitter aus der Wade hatten entfernt werden müssen. Er drehte sich um und fasste Tombs genauer ins Auge. Das Gesicht des Mannes war übel zugerichtet. Der Soldat überlegte zuerst, ob das am Schrapnell von den zurückliegenden Explosionen lag, aber die Einstichstellen waren alle gleich groß und zu gleichmäßig verteilt.
    »Was ist mit dir passiert?«
    »Er hat seinen Verstand geklärt und ist heil und ganz geworden«, antwortete eine völlig fremdartige Stimme.
    Grant blickte auf und sah sich mit dem Blick der Schnatterente konfrontiert. Sie hob eine Klaue und winkte mit einer Kralle. »Folgt mir.« Grant empfand keinerlei Neigung, sich dieser Aufforderung zu widersetzen.
    Die Kreatur führte sie rings um einen nahen Erdhügel und anschließend einen gewundenen Pfad durch die Verwüstung entlang, ehe sie vor einem weiteren Erdhügel stehen blieb, wo Sanders’ Gravovan halb verschüttet auf der Seite lag. Sie musstedie Erste-Hilfe-Tasche von hier geholt haben, wurde sich Grant klar, aber woher hatte sie gewusst, dass sie sie brauchen würde?
    Die Schnatterente machte sich daran, den Schutt vom Fahrzeug zu schaufeln. Ihre Krallen, die sie wie große Mistgabeln einsetzte, waren perfekt für diese Aufgabe geeignet.
    »Unsere Fahrgelegenheit nach Hause?«, fragte Grant.
    »Ja«, antwortete Tombs, »obwohl wir keinen Teil dieses Planeten mehr als Zuhause bezeichnen können.«
    Grant nickte, wandte sich ab und erstieg einen weiteren Erdhügel – die Medikamente, die Sanders ihm verabreicht hatte, vertrieben nicht nur die Schmerzen, sondern erfüllten ihn auch mit ruheloser Energie. Schnell erreichte er die Kuppe und nahm von dort die Verwüstung in Augenschein. Das Bauwerk der Atheter-KI lag auf dem Dach und außerdem schief, wie ein Schiff, das in sturmgepeitschter See fotografiert wurde. Überall ringsherum waren der Schlamm, der Erdboden und die Wurzelstöcke zu Wogen aufgehäuft, ringförmig um einen Mittelpunkt ausgebreitet, aus dem noch immer Rauch und Dampf in die Luft quollen – dort, wo der vom Techniker zerstörte Disruptor aufgeschlagen war. Dann erblickte Grant mit flauem Magen eine weitere dieser glockenförmigen Apparaturen, die über dem Horizont am Himmel schwebte. Rasch kletterte er den Hügel

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