Die Verschwörung des Bösen
Starkbier – das beruhigt dich hoffentlich.«
»Ich habe aber keinen Durst.«
»Dann reiß dich verdammt noch mal zusammen!«
Schließlich leerte Gergu seinen Krug, aber mit einer Miene, als wäre es sein letzter.
»Wir haben überhaupt nichts zu befürchten«, versicherte ihm Medes. »Den Gerüchten zufolge verdächtigt Sobek nur einen einzigen Mann, und das ist Iker. Der Prophet und die meisten seiner Anhänger sind in Sicherheit, und der Libanese und seine Leute bleiben, wo sie sind.«
Gergu fühlte sich nicht mehr ganz so beunruhigt. »Seid Ihr ganz sicher, dass wir nicht verhaftet werden?«
»Wir haben keinen einzigen Fehler gemacht, und alle Spuren, die bis zu uns hätten führen können, wurden gelöscht.«
Den nächsten Krug leerte Gergu auf einen Zug.
»Sesostris ist offensichtlich unverwundbar! Kein Mordanschlag wird gelingen. Ziehen wir uns doch aus diesem gefährlichen Bündnis zurück, Medes, und genießen wir unser Vermögen.«
»Das wäre ziemlich kindisch und unüberlegt. Erstens duldet der Prophet weder Verrat noch Abtrünnigkeit. Damit würden wir gewissermaßen unser Todesurteil unterschreiben. Außerdem können wir uns mit Hilfe des Libanesen weiter bereichern. Und schließlich werden wir irgendwann das ganze Land beherrschen. Glaubst du wirklich an die Hölle, Gergu?«
»Ja, selbstverständlich, die Verdammten schmoren dort in Kesseln, und nichts lindert ihre Qualen!«
»Was für ein dummes Zeug«, sagte Medes. »Ich glaube nur an das Böse, die Lüge und die Raffgier. Sie zu leugnen, wäre schwachsinnig, sie besiegen zu wollen, lächerlich. Der Prophet begeistert mich, weil er das Böse auf vollendete Weise gebraucht. Noch erstaunlicher ist die Menge von Anhängern, die ihm blind gehorchen! Wie kann es nur so viele Dummköpfe geben, die glauben wollen, Gott hätte einem einzigen Menschen den Auftrag gegeben, eine ausschließliche und endgültige Wahrheit zu verbreiten? Dummheit beherrscht die Masse, und das müssen wir ausnützen, so gut es geht. Sie ist die prächtigste Waffe. Ich pfeife auf den Glauben, den der Prophet predigt, aber ich bin überzeugt, dass er mit ihr die Welt erobert. Und wenn wir seine Verbündeten bleiben, werden wir unermesslich reich und mächtig.«
Medes’ Gelassenheit beruhigte Gergu schließlich, und das Bier tat das seine, um ihn zu entspannen.
»Der Königliche Rat lebt in Angst und Schrecken«, sagte Medes. »Wegen der unerwarteten Ankunft von General Nesmontu habe ich keine Erlasse zu verfassen. Über seine Gespräche mit dem Pharao ist nichts nach außen gelangt, aber es scheint so, als wäre Iker vorgeladen worden. Ich versuche, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Du solltest dich unauffällig in Nesmontus Umgebung umhören. Bestimmt findest du da einen geschwätzigen Angeber, der dir voller Stolz die Gründe für den Besuch des Generals erzählen wird.«
In Abydos ging die Sonne unter. Langsam stieg Isis die steinerne Treppe hinauf, die aufs Dach des Tempels führte, von wo aus sie den nächtlichen Sternenhimmel beobachten wollte.
Der König hatte sie beauftragt, besonders darauf zu achten, ob sich einer der zeitweiligen oder ständigen Priester irgendwie verdächtig benahm. Zu ihrer Erleichterung hatte die junge Frau aber feststellen können, dass alle mit größtem Pflichtbewusstsein ihren Aufgaben nachkamen. Ein anderer Auftrag verlangte eher noch größeren Einsatz von ihr: Sie musste in den Archiven vom Haus des Lebens nach jedem noch so kleinen Hinweis suchen, der für die Heilung der Akazie von Nutzen sein konnte.
Und weil eben eine der Schriften die Erforschung des Weltalls empfahl, hatte sich Isis vorgenommen, die Sterne, die Planeten und die Dekane zu befragen.
Die Göttin Isis hatte die Gestirne an ihren Platz gestellt, die sieben Hathorinnen lenkten das Geschick. Was das Lesen der Zeit, die Vorhersage der Zukunft, betraf, so blieb es ein großes Geheimnis, das von einem Pharao an den nächsten übergeben wurde. Die Eingeweihten kannten allerdings die Botschaft der sechsunddreißig Kerzen, der Dekane, die auch die
»Lebendigen« genannt wurden. Sie wurden aus der Duat geboren, dem Sternenmuster, das den Ablauf des Ritualjahres bestimmte.
Mit Hilfe eines Suchers, den sie sich aus einem in der Mitte geschlitzten Palmblatt und einem kleinen Lineal mit einem Senklot gemacht hatte, berechnete Isis nun die Stellung der Himmelskörper. Sie beobachtete den Himmelsstier-Horus, also den Saturn, die entscheidende Macht, die keine
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