Die vier Ziele des Lebens
ihrer Beziehung und überhaupt mit ihrem ganzen Leben sehr unglücklich war. Jahre später erfuhr ich jedoch, dass sie nach einer sehr schwierigen Scheidung zwei grundsätzliche Veränderungen in ihrem Leben vorgenommen hatte. Erstens richtete sie eine karitative Stiftung ein, um bedürftigen Menschen zu helfen, und zweitens nahm sie einen Job in einem kleinen Blumenladen an. Blumen hatte sie schon immer geliebt, und jetzt fand sie über die Blumen eine Gelegenheit, anderen ganz direkt einen Dienst zu erweisen. So hatte Doris also einen Sinn und Zweck für ihr Leben gefunden, und sie fühlte sich der Welt in diesem kleinen Bereich herzlich verbunden.
Anders als Doris werden sehr viele Menschen dieser Erde in die Armut hineingeboren. Nahrung und Unterkunft sind die beiden Themen, die ihren Alltag beherrschen. »Für den Hungernden ist Gott das Brot«, hat Gandhi gesagt. Und doch ist gerade bei den Ärmsten unter uns das Gefühl für Sinn, Zweck und Zusammenhalt vielfach besonders ausgeprägt. Sie halten zum Wohl aller zusammen und scheuen keine Mühe, um für ihre Familien und das Gemeinwohl zu sorgen.
Der gleiche Ruf zum Dienen ergeht auch an Rentner und Pensionäre mit genügend Geld und Zeit, die vielleicht anfangs die neu gewonnene Freiheit genießen und vorwiegend Freizeitaktivitäten nachgehen. Aber für viele ältere Menschen wird die viele Freiheit irgendwann zu einem endlosen »verlängerten Wochenende«. Dann geht es ihnen wie den jungen Hochschulabgängern (und den Reichen, die nicht unbedingt etwas tun müssen): Sie stehen vor der Notwendigkeit, sich ihre gegenwärtigen Wertvorstellungen, Interessen und Fähigkeiten noch einmal genau anzusehen. Manche nehmen dann wieder eine Teilzeitbeschäftigung an, und nicht allein wegen des Einkommens, sondern um sich nützlich zu fühlen, persönliche und berufliche Kontakte zu erneuern oder einfach das Gefühl zu haben, an etwas Größerem beteiligt zu sein. Auch Rentner probieren manchmal wie die jungen Leute Verschiedenes aus, bis sie etwas finden, wo sie wirklich wertvolle Dienste leisten können, indem sie beispielsweise Anleitung geben, ihren Sachverstand zur Verfügung stellen oder wie Doris ein paar Stunden am Tag im Verkauf arbeiten. Alle Wege – Armut, Reichtum und sogar Rente – können zum Dienen führen.
In dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier begegnen wir einem Mann, der an nichts mehr glaubt und unverhofft in eine existenzielle Zeitschleife gerät, in der er sich jeden Morgen beim Aufwachen in immer demselben Tag wiederfindet. Er ist der Einzige, dem bewusst ist, dass es
sich jeden Tag um denselben Tag handelt. Zunächst versucht er sein Wissen um die kommenden Tagesereignisse auszunutzen und Menschen und Umstände zu seinen Gunsten zu manipulieren. Doch der Tag wiederholt sich endlos immer wieder, bis er dem Ganzen schließlich nur noch entkommen möchte und Selbstmord begeht. Groß ist sein Entsetzen, als er dann doch wieder am Morgen eben desselben Tages aufwacht. Weitere Selbstmorde folgen, doch es hilft alles nichts, es gibt offenbar kein Entkommen. Irgendwann fängt er an, Klavier zu lernen, und eignet sich medizinische und andere Kenntnisse und Fähigkeiten an – bis ihm schließlich klar wird, worum es eigentlich geht, nämlich zu dienen und eine Kraft in der Welt zu werden, die Nutzen stiftet. In dieser Einsicht findet er endlich den Sinn und Zweck seines Lebens, aber auch Liebe und Erlösung.
Wenn Sie Ihre berufliche Laufbahn betrachten, mitsamt all den Engpässen und Niederungen, die es da zu bewältigen gibt, denken Sie an die erste unserer vier Zielsetzungen: die Lektionen des Lebens lernen. Sie haben bis hierher schon viel gelernt und werden sich weiter anpassen, Sie werden wachsen, reifen, sich entwickeln. Und wenn es einmal nicht weitergeht oder Sie sogar zurückzufallen scheinen, könnte es sein, dass Sie einfach nur Anlauf nehmen. Bleiben Sie dran. Stehen Sie für sich selbst ein. Geben Sie ein nachahmenswertes Beispiel. Zeigen Sie den unspektakulären Mut des Alltags.
Sie haben eine heilige Berufung. Die Frage ist nur, ob Sie sich die Zeit nehmen, dem Ruf zu folgen. Werden Sie Ihren ganz eigenen Weg gehen? Sie sind Autor Ihres Lebens, lassen Sie nicht zu, dass andere ihm Grenzen setzen. Alle Kraft liegt darin, dass Sie tun, was Sie zu tun haben, und es gut machen.
Oprah Winfrey
Ihre Arbeit, Ihr großer oder kleiner Dienst, bindet Sie in die Gemeinschaft der Menschen ein. Betrachten Sie also weder Ihre Arbeit noch
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