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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Kalkutta
1848
    Erstes Kapitel
    Die Stadt dampfte.
    Regenschwere Monsunwolken hingen drohend und grollend am bleigrauen Himmel. Die Nachmittagsluft lag wie eine nasse Decke über der Erde. Sie hielt die drückende Feuchtigkeit gefangen und lähmte selbst die Standhaftesten, denn sie nahm ihren Körpern jede Energie, ihrem Geist alle Willenskraft. Der Hooghly, der Fluß, der die Stadt teilte, kroch wie auf bleiernen Füßen dahin. Er wartete auf die Windböen, die ihn vorwärtstreiben und aus seiner Lethargie reißen würden. Kein Blatt, kein Staubwölkchen regte sich. Aber die Stille barg ein Versprechen: Wenn das Gewitter losbrach, würde es die ersehnte Kühlung bringen, und die Erde konnte wieder frei atmen.
    Noch aber dampfte Kalkutta.
    Lady Bridget Templewood stand im Küchenhaus und teilte die Zutaten für das Abendessen aus. Die Hitze schien sie nicht zu berühren. Sie hielt sich wie immer kerzengerade. Die Hand mit der langen Holzkelle schöpfte Erdnußöl aus dem Krug und bewegte sich dabei mit der Präzision eines Gerätes, das eigens für diesen Zweck entwickelt worden ist. Beim Zählen formten ihre Lippen stumme Beschwörungen, und das gab ihr den Anschein einer Vestalin, die ein geheimes Ritual durchführte, von dem das Schicksal des britischen Reichs abhing. Hätte man Lady Bridget das gesagt, wäre sie geschmeichelt gewesen. Selbst in diesem fernen Vorposten des prosperierenden Empire Ihrer Königlichen Majestät glaubte Lady Bridget voll Inbrunst an die Pflichten, die eine englische Dame von Adel gegenüber Königin und Heimat zu erfüllen hatte – und zu diesen Pflichten gehörte auch das Küchenhaus.
    Reis, Linsen und grüne Bohnen waren bereits alle sorgsam abgewogen und ausgeteilt. Die Kartoffeln – zwei für jeden und für Estelle keine – wurden gerade vom Küchenjungen geschält. Zwei gerupfte und ausgenommene Hühner lagen neben dem Kohlenherd und warteten darauf, in mundgerechte Stücke zerlegt zu werden. Auf der weißen Marmortischplatte standen Curkumapaste und in Essig eingelegte zerstoßene Chilischoten, außerdem Koriander und Cumin. Die Gewürze sollten für das Vindaloo -Curry den bereits schmorenden Zwiebeln in den Topf folgen. Sir Joshuas Gaumen war durch die orientalischen Eßgewohnheiten mit der Zeit unempfindlich geworden, und deshalb verlangte er scharfe Gewürze, obwohl Lady Bridget mit Freuden darauf verzichtet hätte.
    Babulal beobachtete schweigend und unbewegt, wie seine Lady Mem gewissenhaft das tägliche Ritual durchführte, aber innerlich kochte er. Er wartete nun schon zwei Tage geduldig auf eine Gelegenheit, die eigenen Familienvorräte aufzufüllen. Es gelang ihm nicht, und das empfand er als Schmach. Seine Frau lag ihm ständig in den Ohren, und überhaupt, fragte er sich empört: ›Ist es nicht eine Schande, wenn die Köche in den Häusern reicher Firanghis, bei denen die Vorratskammern überquellen, sich soweit erniedrigen müssen, Nahrungsmittel für den eigenen Bedarf auf dem Markt zu kaufen ?‹ Babulal fragte sich nicht zum ersten Mal, ob das Wenige, das er täglich bei den Besorgungen im Basar beiseite brachte, den Einsatz lohnte. Seine Bitterkeit wuchs, wenn er daran dachte, wie gut andere Köche in weniger knausrigen Häusern für sich sorgten.
    »Memsahib, Memsahib !«
    Das laute Rufen der Aja riß Lady Bridget aus der tiefen Konzentration. Ihre Hand zuckte, und Öl lief auf die sauber geschrubbten Steinplatten des Fußbodens. »Was um alles in der Welt …?«
    »Memsahib, schneell, schneelll !« Die Aja kam schreiend in die Küche gerannt. Sie verdrehte die Augen, und man sah beängstigend viel Weiß in dem schokoladenbraunen Gesicht. »Die amrikaaanische Miss ist vom Gaul in den Nulla gefallen …!« Sie redete hysterisch in Hindustani weiter und brach in Tränen aus.
    Lady Bridget stand stocksteif vor dem Ölkrug. Ihre kornblumenblauen Augen wurden starr vor Schreck. Die Beschwörungen waren vergessen, und ihr Mund öffnete sich vor Entsetzen. Mein Gott, wenn das leichtsinnige Mädchen sich verletzt hatte. Wie sollte sie Sean jemals wieder unter die Augen treten? Nach einer Begegnung mit ihrem Schwager Sean hatte Lady Bridget zwar kein besonderes Verlangen, aber darum ging es im Augenblick nicht. Ohne an die öligen Finger zu denken, ließ sie die Kelle fallen, raffte ihr gestärktes weißes Musselinkleid und eilte, gefolgt von den Dienstboten, aus der Küche. Alle möglichen Befürchtungen schossen ihr durch den Kopf: Wenn Olivia sich den Hals

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