Die Wälder von Albion
und die Lampen anzündete. Wie immer stand Huw stumm vor der Tür. In all den Jahre hatte sie sich um ihren Leibwächter überhaupt keine Gedanken gemacht, aber seit er Cynric ohne Zögern getötet hatte, war ihr seine Gegenwart nicht mehr so angenehm.
»Huw, warum gehst du nicht auch essen?« sagte sie zu ihm. »Senara wird bei mir bleiben, bis du wieder zurück bist.«
Senara entzündete langsam eine Öllampe nach der anderen - sogar hier in Vernemeton stammten sie aus Rom. Wieder einmal wurde Eilan bewußt, daß ganz Albion inzwischen von den Römern verändert worden war. Cynric und Bendeigid irrten sich, wenn sie glaubten, die Zeit zurückdrehen zu können…
Senara wirkte an diesem Abend sonderbar unruhig, und es dauerte sehr viel länger als sonst, bis alle Lampen brannten. Als das Mädchen dann vor der letzten stehenblieb und in die kleine Flamme starrte, wußte Eilan, daß Senara irgendeinen Kummer hatte.
»Was hast du, mein Kind? Geht es dir nicht gut?« fragte sie teilnahmsvoll.
»Eilan… «, Senara unterdrückte ein Schluchzen.
Eilan setzte sich auf eine Bank. »Komm zu mir, mein Kind. Sag mir, was dich bedrückt. Du weißt sehr wohl, was es auch sein mag, du mußt keine Angst davor haben, es mir zu erzählen.«
Senara liefen die Tränen über die Wangen.
»Du bist so gut zu mir… Du bist immer so gut zu mir gewesen… . und ich bin deine Güte nicht wert«, stieß sie schluchzend hervor, sank Eilan zu Füßen und weinte hemmungslos.
»Mein Kind«, sagte Eilan bestürzt, »du mußt doch nicht weinen. Für solche heftigen Gefühle fehlen mir im Augenblick die Kräfte. Was es auch ist, so schlimm kann es doch nicht sein!«
Sie beugte sich über Senara und zog sie liebevoll hoch. »Komm, setz dich neben mich.«
Senaras Tränen versiegten langsam, aber sie konnte sich nicht setzen, sondern lief unruhig im Zimmer auf und ab. Schließlich murmelte sie: »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll… «
Plötzlich wußte Eilan, was für einen Kummer Senara hatte, und fragte: »Willst du mir sagen, daß du dein Gelübde nicht ablegen und keine Priesterin werden möchtest?«
Senara hob den Kopf und trocknete die Tränen.
»Das gehört auch dazu«, flüsterte sie. »Aber das ist das Wenigste… « Sie suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. »Ich bin es nicht wert, hier zu sein. Ich wäre eine unwürdige Priesterin. Wenn du wüßtest… . du würdest mich davonjagen… «
Eilan schüttelte lächelnd den Kopf und wiederholte Cailleans Worte, die sie nie vergessen hatte.
»Im Angesicht der Göttin ist vielleicht niemand von uns würdig, hier zu sein. Hör auf zu weinen, Liebes, und sag mir, was für einen Kummer du hast.«
Senara beruhigte sich etwas, konnte Eilan aber nicht in die Augen sehen. Eilan erinnerte sich plötzlich daran, wie sie vor so vielen Jahren vor Lhiannon gestanden hatte. Wäre es möglich… ? Aber nein, Senara war immer nur in Vernemeton oder hin und wieder bei den Christen. Und bei den Christen galt Keuschheit als eine noch höhere Tugend als selbst hier in Vernemeton.
»Ich… ich habe einen Mann kennengelernt… . und er möchte, daß ich ihm folge… «, flüsterte sie schließlich kaum hörbar.
Eilan stand auf und nahm Senara in die Arme.
»Mein armes Kind«, sagte sie tröstend, »warum nur machst du dir deshalb solche Sorgen? Dir steht es doch völlig frei, uns zu verlassen und zu heiraten, wenn das dein Wunsch ist. Du bist als Kind hierher gekommen. Es war nie wirklich unsere Absicht, von dir zu verlangen, das Gelübde abzulegen. Seit damals sind so viele Jahre vergangen, daß wir das alle fast vergessen haben.«
Sie führte sie zur Bank und zog sie neben sich. »Nun hör auf zu weinen und erzähl mir etwas mehr. Wo hast du den Mann kennengelernt? Wer ist es?«
Als Senara noch immer den Kopf hängen ließ, versicherte sie ihr: »Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn du heiraten willst. Aber du bist mir ans Herz gewachsen wie eine Tochter, und ich möchte, daß du die richtige Entscheidung triffst… «
Senara hob schließlich den Kopf. Sie konnte es kaum glauben, daß Eilan ihr nicht zürnte, sondern sie wohlwollend freigeben wollte.
»Ich habe ihn bei Vater Petros getroffen. Er ist Römer und ein Freund meines Onkels Valerius… «
Sie brach ab, denn in diesem Augenblick erschien die diensthabende Priesterin und sagte zu Eilan: »Verzeih die Störung, Herrin. Am Tor ist ein Römer… «
Eilan runzelte die Stirn. »Es ist spät… Weißt du, was er
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