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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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allem versehen, und unser Zudringen wäre nur eine hinderliche Teilnahme«.
    Charlotte bestand auf ihrem Sinne und winkte Ottilien, die sich sogleich zum Weggehen anschickte.
    Eduard ergriff ihre Hand und rief: »wir wollen diesen Tag nicht im Lazarett endigen!
    Zur barmherzigen Schwester ist sie zu gut.
    Auch ohne uns werden die Scheintoten erwachen und die Lebendigen sich abtrocknen«.
    Charlotte schwieg und ging.
    Einige folgten ihr, andere diesen; endlich wollte niemand der Letzte sein, und so folgten alle.
    Eduard und Ottilie fanden sich allein unter den Platanen.
    Er bestand darauf, zu bleiben, so dringend, so ängstlich sie ihn auch bat, mit ihr nach dem Schlosse zurückzukehren.
    »Nein, Ottilie!« rief er, »das Außerordentliche geschieht nicht auf glattem, gewöhnlichem Wege.
    Dieser überraschende Vorfall von heute abend bringt uns schneller zusammen.
    Du bist die Meine!
    Ich habe dirs schon so oft gesagt und geschworen; wir wollen es nicht mehr sagen und schwören, nun soll es werden«.
    Der Kahn von der andern Seite schwamm herüber.
    Es war der Kammerdiener, der verlegen anfragte, was nunmehr mit dem Feuerwerk werden sollte.
    »Brennt es ab!« rief er ihm entgegen.
    »Für dich allein war es bestellt, Ottilie, und nun sollst du es auch allein sehen!
    Erlaube mir, an deiner Seite sitzend, es mitzugenießen«.
    Zärtlich bescheiden setzte er sich neben sie, ohne sie zu berühren.
    Raketen rauschten auf, Kanonenschläge donnerten, Leuchtkugeln stiegen, Schwärmer schlängelten und platzten, Räder gischten, jedes erst einzeln, dann gepaart, dann alle zusammen und immer gewaltsamer hintereinander und zusammen.
    Eduard, dessen Busen brannte, verfolgte mit lebhaft zufriedenem Blick diese feurigen Erscheinungen.
    Ottiliens zartem, aufgeregtem Gemüt war dieses rauschende, blitzende Entstehen und Verschwinden eher ängstlich als angenehm.
    Sie lehnte sich schüchtern an Eduard, dem diese Annäherung, dieses Zutrauen das volle Gefühl gab, daß sie ihm ganz angehöre.
    Die Nacht war kaum in ihre Rechte wieder eingetreten, als der Mond aufging und die Pfade der beiden Rückkehrenden beleuchtete.
    Eine Figur, den Hut in der Hand, vertrat ihnen den Weg und sprach sie um ein Almosen an, da er an diesem Festlichen Tage versäumt worden sei.
    Der Mond schien ihm ins Gesicht, und Eduard erkannte die Züge jenes zudringlichen Bettlers.
    Aber so glücklich wie er war, konnte er nicht ungehalten sein, konnte es ihm nicht einfallen, daß besonders für heute das Betteln höchlich verpönt worden.
    Er forschte nicht lange in der Tasche und gab ein Goldstück hin.
    Er hätte jeden gern glücklich gemacht, da sein Glück ohne Grenzen schien.
    Zu Hause war indes alles erwünscht gelungen.
    Die Tätigkeit des Chirurgen, die Bereitschaft alles Nötigen, der Beistand Charlottens, alles wirkte zusammen, und der Knabe ward wieder zum Leben hergestellt.
    Die Gäste zerstreuten sich, sowohl um noch etwas vom Feuerwerk aus der Ferne zu sehen, als auch um nach solchen verworrnen Szenen ihre ruhige Heimat wieder zu betreten.
    Auch hatte der Hauptmann, geschwind umgekleidet, an der nötigen Vorsorge tätigen Anteil genommen; alles war beruhigt, und er fand sich mit Charlotten allein.
    Mit zutraulicher Freundlichkeit erklärte er nun, daß seine Abreise nahe bevorstehe.
    Sie hatte diesen Abend so viel erlebt, daß diese Entdeckung wenig Eindruck auf sie machte; sie hatte gesehen, wie der Freund sich aufopferte, wie er rettete und selbst gerettet war.
    Diese wunderbaren Ereignisse schienen ihr eine bedeutende Zukunft, aber keine unglückliche zu weissagen.
    Eduarden, der mit Ottilien hereintrat, wurde die bevorstehende Abreise des Hauptmanns gleichfalls angekündigt.
    Er argwohnte, daß Charlotte früher um das Nähere gewußt habe, war aber viel zu sehr mit sich und seinen Absichten beschäftigt, als daß er es hätte übel empfinden sollen.
    Im Gegenteil vernahm er aufmerksam und zufrieden die gute und ehrenvolle Lage, in die der Hauptmann versetzt werden sollte.
    Unbändig drangen seine geheimen Wünsche den Begebenheiten vor. Schon sah er jenen mit Charlotten verbunden, sich mit Ottilien.
    Man hätte ihm zu diesem Fest kein größeres Geschenk machen können.
    Aber wie erstaunt war Ottilie, als sie auf ihr Zimmer trat und den köstlichen kleinen Koffer auf ihrem Tische fand!
    Sie säumte nicht, ihn zu eröffnen.
    Da zeigte sich alles so schön gepackt und geordnet, daß sie es nicht auseinanderzunehmen, ja kaum zu lüften

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