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Die Wahlverwandtschaften

Die Wahlverwandtschaften

Titel: Die Wahlverwandtschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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wagte.
    Musselin, Batist, Seide, Schals und Spitzen wetteiferten an Feinheit, Zierlichkeit und Kostbarkeit.
    Auch war der Schmuck nicht vergessen.
    Sie begriff wohl die Absicht, sie mehr als einmal vom Kopf bis auf den Fuß zu kleiden; es war aber alles so kostbar und fremd, daß sie sichs in Gedanken nicht zuzueignen getraute.
    Des andern Morgens war der Hauptmann verschwunden und ein dankbar gefühltes Blatt an die Freunde von ihm zurückgeblieben.
    Er und Charlotte hatten abends vorher schon halben und einsilbigen Abschied genommen.
    Sie empfand eine ewige Trennung und ergab sich darein; denn in dem zweiten Briefe des Grafen, den ihr der Hauptmann zuletzt mitteilte, war auch von einer Aussicht auf eine vorteilhafte Heirat die Rede, und obgleich er diesem Punkt keine Aufmerksamkeit schenkte, so hielt sie doch die Sache schon für gewiß und entsagte ihm rein und völlig.
    Dagegen glaubte sie nun auch die Gewalt, die sie über sich selbst ausgeübt, von andern fordern zu können.
    Ihr war es nicht unmöglich gewesen, andern sollte das gleiche möglich sein.
    In diesem Sinne begann sie das Gespräch mit ihrem Gemahl, um so mehr offen und zuversichtlich, als sie empfand, daß die Sache ein für allemal abgetan werden müsse.
    »Unser Freund hat uns verlassen«, sagte sie; »wir sind nun wieder gegeneinander über wie vormals, und es käme nun wohl auf uns an, ob wir wieder völlig in den alten Zustand zurückkehren wollten«.
    Eduard, der nichts vernahm, als was seiner Leidenschaft schmeichelte, glaubte, daß Charlotte durch diese Worte den früheren Witwenstand bezeichnen und, obgleich auf unbestimmte Weise, zu einer Scheidung Hoffnung machen wolle.
    Er antwortete deshalb mit Lächeln: »warum nicht?
    Es käme nur darauf an, daß man sich verständigte«.
    Er fand sich daher gar sehr betrogen, als Charlotte versetzte: »auch Ottilien in eine andere Lage zu bringen, haben wir gegenwärtig nur zu wählen; denn es findet sich eine doppelte Gelegenheit, ihr Verhältnisse zu geben, die für sie wünschenswert sind.
    Sie kann in die Pension zurückkehren, da meine Tochter zur Großtante gezogen ist; sie kann in ein angesehenes Haus aufgenommen werden, um mit einer einzigen Tochter alle Vorteile einer standesmäßigen Erziehung zu genießen«.
    »Indessen«, versetzte Eduard ziemlich gefaßt, »hat Ottilie sich in unserer freundlichen Gesellschaft so verwöhnt, daß ihr eine andere wohl schwerlich willkommen sein möchte«.
    »Wir haben uns alle verwöhnt«, sagte Charlotte, »und du nicht zum letzten.
    Indessen ist es eine Epoche, die uns zur Besinnung auffordert, die uns ernstlich ermahnt, an das Beste sämtlicher Mitglieder unseres kleinen Zirkels zu denken und auch irgendeine Aufopferung nicht zu versagen«.
    »Wenigstens finde ich es nicht billig«, versetzte Eduard, »daß Ottilie aufgeopfert werde, und das geschähe doch, wenn man sie gegenwärtig unter fremde Menschen hinunterstieße.
    Den Hauptmann hat sein gutes Geschick hier aufgesucht; wir dürfen ihn mit Ruhe, ja mit Behagen von uns wegscheiden lassen.
    Wer weiß, was Ottilien bevorsteht; warum sollten wir uns übereilen?« »Was uns bevorsteht, ist ziemlich klar«, versetzte Charlotte mit einiger Bewegung, und da sie die Absicht hatte, ein für allemal sich auszusprechen, fuhr sie fort: »du liebst Ottilien, du gewöhnst dich an sie.
    Neigung und Leidenschaft entspringt und nährt sich auch von ihrer Seite.
    Warum sollen wir nicht mit Worten aussprechen, was uns jede Stunde gesteht und bekennt?
    Sollen wir nicht soviel Vorsicht haben, uns zu fragen, was das werden wird?« »Wenn man auch sogleich nicht darauf antworten kann«, versetzte Eduard, der sich zusammennahm, »so läßt sich doch soviel sagen, daß man eben alsdann sich am ersten entschließt abzuwarten, was uns die Zukunft lehren wird, wenn man gerade nicht sagen kann, was aus einer Sache werden soll«.
    »Hier vorauszusehen«, versetzte Charlotte, »bedarf es wohl keiner großen Weisheit, und soviel läßt sich auf alle Fälle gleich sagen, daß wir beide nicht mehr jung genug sind, um blindlings dahin zu gehen, wohin man nicht möchte oder nicht sollte.
    Niemand kann mehr für uns sorgen; wir müssen unsre eigenen Freunde sein, unsre eigenen Hofmeister.
    Niemand erwartet von uns, daß wir uns in ein Äußerstes verlieren werden, niemand erwartet, uns tadelnswert oder gar lächerlich zu finden«.
    »Kannst du mirs verdenken«, versetzte Eduard, der die offne, reine Sprache seiner Gattin nicht zu

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