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Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Die Wall Street ist auch nur eine Straße

Titel: Die Wall Street ist auch nur eine Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Rogers
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besaßen keine historische Sichtweise, kein intuitives Gefühl für das Auf und Ab des Marktes.
    Alle großen Haussen, lang anhaltende Haussephasen, enden mit einer Blase. Jeder läuft den verbreiteten Überzeugungen nach und richtet sich nach dem, was in der Presse zu lesen ist; und das bietet dem schlauen Investor Chancen. Gleichzeitig wird das Timing schwieriger, weil es innerhalb von Blasen keine Regeln gibt. Eines der populärsten Bücher zum Thema sagt im Titel schon alles: Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds (deutsch: Außerordentliche Verwirrungen und der Wahn der Massen , FinanzBuch Verlag) von Charles Mackay, 1841 erstmals veröffentlicht. Von der Tulpenmanie im Holland des 17. Jahrhunderts über die Spekulationsblase um die South Sea Company und die Grundstücksskandale in Mississippi ein Jahrhundert später bis zu den Dotcom- und Immobilienblasen vor wenigen Jahren – Spekulationsblasen sehen immer gleich aus.
    In solchen Zeiten hält jeder die aktuellen Entwicklungen für völlig rational. Diese Kurse sind gut, denken die Leute, und sie werden sicher noch weiter steigen. Dann ruft mich meine Mutter an und sagt, sie wolle investieren. Alle ihre Bekannten reden darüber, welche Papiere gerade heiß sind. Ich frage sie, warum sie eine bestimmte Aktie kaufen will, und sie sagt: »Weil sie sich im letzten Jahr verdreifacht hat.«
    Ich sage: »Nein, Mutter, so funktioniert das nicht. Man kauft eine Aktie nicht, weil sie sich verdreifacht hat, sondern bevor sie sich verdreifacht.«
    Aber im Fall von Blasen passiert so etwas. Der Kurs steigt, weil der Kurs steigt. In gewisser Hinsicht braucht man in Haussephasen ein Kind, das zu jung ist, um zu begreifen, dass das, was es tut, idiotisch ist. Man braucht ein Kind, das sich auf eine Spekulationsblase stürzt und sie höher und höher treibt. Leute wie ich werden in solchen Zeiten bei Weitem nicht so viel Geld verdienen, weil wir sehen, was los ist. Das Kind weiß nicht, warum es Geld verdient, und deshalb verdient es so viel Geld. Wir anderen sind erfahren oder intelligent genug, um zu wissen, dass diese Sache böse enden wird. Man braucht ein Kind mit sehr wenig Erfahrung und gerade genug Intelligenz, um sehr gefährlich zu sein. Aber man muss klug genug sein, um zu wissen, wann es Zeit zum Aussteigen ist, um sich vor dem Mangel an Erfahrung und Wissen des Kindes zu schützen, und das kann natürlich sehr schwierig sein. Wenn die Dinge schlecht laufen, möchten Sie dieses Kind sicher nicht mehr bei sich haben – und wahrscheinlich ist es dann ja ohnehin nicht mehr da.
    Roy Neuberger war Mitte 20, als er an der Wall Street anfing. Er begann im Frühling 1929 und schaffte es, den großen Crash im Oktober zu überleben, indem er RCA leer verkaufte, um seine Standardaktien abzusichern. 1939 gründete er Neuberger Berman. Bis zum Alter von 99 Jahren kam er jeden Tag ins Büro. Er war 107 und immer noch aktiver Trader, als er 2010 starb.
    Roy sagte mir, er habe herausgefunden, dass die Wall Street funktionierte wie der Schuhhandel, wo er ebenfalls einmal engagiert gewesen war. Man kauft die Schuhe, setzt den Preis herauf und verkauft sie. Man sitzt nicht herum und behält die Schuhe jahrzehntelang oder auch nur monatelang. Wenn eine Aktie steigt, verkauft man sie. Er hielt seine Positionen manchmal nur für einen Tag oder für eine Woche. Ein langfristiges Engagement dauerte für ihn vielleicht einen oder zwei Monate. Er war einer der großartigen Trader an der Wall Street und wurde Broker für A. W. Jones.
    Als ich A. W. Jones kennenlernte, war ich schon seit 20 Jahren im Geschäft. A. W. Jones und Neuberger Berman waren zwei von den Firmen, über die man sprach, weil beide viel schlauer waren als alle anderen. Ehe ich für den Veteranen Neuberger arbeitete, war ich für Dick Gilder tätig, einen der heißen, jungen Trader, dessen Firma R. Gilder & Co. hauptsächlich in Wachstumsaktien investierte. Von beiden Männern lernte ich viel.
    Jungen Leuten erkläre ich oft, dass ich von meiner Tätigkeit als Assistent profitierte. Ich lernte, indem ich andere genau beobachtete. Es gibt nichts Besseres als eine Ausbildung in der Praxis. Viele Leute kommen an den Arbeitsmarkt und glauben, sie tun sich einen Gefallen damit, wenn sie ihre Ausbildungszeit überspringen. Die kluge Vorgehensweise ist aber, erst einmal für einen anderen zu arbeiten und dabei Augen und Ohren offen zu ­halten.
    Von den beiden Männern lernte ich wirklich viel, aber in beiden

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