Die Wall Street ist auch nur eine Straße
den Weg zum Festival. Es gab Straßensperren – die Polizei wollte niemanden dort hinlassen –, und ich fuhr durch die Hinterhöfe einiger Anwesen, um diese Sperren zu umgehen. Eine Frau kam aus ihrem Haus gelaufen und schrie mir nach – mit Recht. Etwa hundert Meter weiter hatte ich einen Platten; sie hatte also wahrscheinlich ihre Rache bekommen, aber ich wechselte den Reifen und fuhr weiter.
Rund um die Bühne gab es einen Zaun, und ich fuhr direkt bis zu diesem Zaun. Alle Sicherheitsleute trugen grüne Jacken, auf deren Rücken in weißer Farbe das Woodstock-Logo gedruckt war, eine auf einem Gitarrenhals sitzende Taube. Der Tag war so heiß, dass alle ihre Jacken über den Zaun gehängt hatten. Ich schlüpfte unter dem Zaun durch, schnappte mir eine von ihnen, zog sie an und ging zur Bühne hinauf. Zu diesem Zeitpunkt herrschte natürlich schon das pure Chaos, und jeder kam mit allem durch, wenn er nur Initiative zeigte.
Ich verbrachte das ganze Festival auf der Bühne. Ich war so beeindruckt von dem, was ich getan hatte – ich wollte meinen Platz nicht verlieren und meinen speziellen Status nicht aufgeben –, dass ich mich sehr vorsichtig verhielt. Manchmal wollten Leute auf die Bühne klettern und ich sagte: »Nein, Sie müssen unten bleiben.« Ich war eine pflichtbewusste Sicherheitskraft.
Ich hatte den besten Platz weit und breit. Ich konnte das ganze Geschehen aus nächster Nähe beobachten, und zu allem Überfluss brachte man mir auch noch etwas zu essen. Es war einfach großartig. Damals glaubte niemand, dass es sich um ein Ereignis von historischer Bedeutung handelte, obwohl etwa eine halbe Million Leute gekommen waren. Wir dachten nur Was haben wir hier für eine tolle Zeit! Wir alle hatten einfach nur unseren Spaß und fuhren dann wieder heim.
Die Musik dauerte noch bis zum Montag, dem 18. August, aber ich fuhr am Sonntagnachmittag wieder nach New York zurück, weil ich am nächsten Tag zur Arbeit musste. (Jimi Hendrix trat erst am Montagmorgen auf, daher verpasste ich seinen Auftritt.) Im Büro redeten alle über Woodstock – kein Wunder, damals war so etwas eine ziemlich spannende Neuigkeit.
Irgendwann sagte ich meinen Kollegen: »Oh, ich war dort.«
Sie alle sahen mich an, als wäre ich nicht ganz bei Trost.
»Was? Warum hast du das getan?«, wollten sie wissen. »Das ist doch schrecklich!«
Man könnte dies ein frühes Beispiel dafür nennen, dass ich mich den konventionellen Meinungen an der Wall Street widersetzte.
Meine Woodstock-Jacke habe ich immer noch, und manchmal hole ich sie hervor. Eines Tages werde ich sie meinen Kindern zeigen, aber ich bezweifle, dass sie ihnen viel bedeuten wird. Vielleicht werden sie etwas über Woodstock lesen. Vielleicht werden ihre Freunde etwas darüber lesen – dann kann eines der Mädchen sagen: »Oh ja, mein Vater hat dort als Sicherheitskraft gearbeitet.«
UM DIE WELT ZU REISEN ist kaum diese Bezeichnung wert, wenn man dabei China und die damalige Sowjetunion auslassen muss. Zwischen meinem Abschied von der Wall Street und meinem Aufbruch zu dieser Reise verwendete ich den größten Teil meiner Energie darauf, amtliche Genehmigungen für den Besuch beider Länder zu erhalten. Während ich auf die Erlaubnis wartete, ging ich zurück zur Schule.
Auf einer Party kurz nach meinem Abschied von der Wall Street traf ich Sandy Burton, den Dekan der Columbia Business School.
»Warum leiten Sie nicht einen Kurs für mich?«, sagte er.
Ich antwortete: »Ich glaube nicht, dass eine Business School eine besonders gute Sache für die Leute ist. Vor allem dann nicht, wenn sie später tatsächlich ins Business einsteigen wollen.«
Schon seit Langem hatte ich den Rat verinnerlicht, den ich in meinem ersten Sommer an der Wall Street vom Seniorpartner bei Dominick & Dominick erhalten hatte: Der Besuch einer Wirtschaftsfakultät sei reine Zeitverschwendung. Ebenso wie er glaubte ich, dass man dort nichts Nützliches lernen konnte. Ich habe in diesem Sommer am Handelstisch mehr über die Märkte erfahren, als ich in zwei Jahren an irgendeiner Business School dieses Landes gelernt hätte.
»Ich bin wirklich nicht daran interessiert, zu lehren«, erklärte ich dem Dekan. »Und wahrscheinlich würde ich das ohnehin nicht gut machen.«
»Abgesehen davon«, erwiderte er mit einem Lächeln, »warum leiten Sie nicht einen Kurs für mich?«
Zwei Dinge, die ich während meines Ruhestands erlernen wollte, waren Tennis und Squash. Ich wohnte nur ein paar Blocks von
Weitere Kostenlose Bücher