Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
Außerdem erhalte ich bald Samen aus dem Ausland, die eine geschickte Hand brauchen, damit sie bei uns wachsen. Diese Frau hat einen grünen Daumen und könnte mir dabei helfen. Damit würden wir eine Ingredienz, die ich jetzt noch teuer einführen lassen muss, selbst herstellen. Ja, so machen wir es! Damit ist uns genauso geholfen wie Schneidts Frau – oder Witwe.«
»Du wirst es schon richtig machen!«, warf Tobias’ Mutter ein, die gerade vom Gespräch mit einer Nachbarin zurückkehrte. Zwar wusste sie nicht, was ihr Mann und ihr Sohn besprochen hatten, stimmte aber aus Gewohnheit ihrem Ehegespons zu.
Dann sah sie Kuni an. »Hat Tobias schon zu Abend gegessen?«
Die Magd schlug erschrocken die Hände zusammen. »Bei Gott, nein! Ich wollte ihm auftischen, als der Herr hereingekommen ist, und da wollte ich nicht stören.«
»Du hättest nicht gestört«, sagte Magdalena nachsichtig lächelnd und stellte den Napf, den Kuni schnell füllte, ihrem Sohn hin.
»Möge Gott es dir segnen, mein Junge. Wenn du gegessen hast, kannst du mir erzählen, ob ihr das unglückliche Mädchen gefunden habt.«
»Das kann ich auch vorher, denn der Eintopf ist noch sehr heiß«, antwortete Tobias und schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider haben wir nicht die geringste Spur von ihr entdecken können, Mutter. Doch es herrscht kein Zweifel, dass das Mädchen einem Untier oder Unhold zum Opfer gefallen sein muss. Den Vater hat man erst nach mehreren Tagen gefunden, und wir wissen auch nur von einem Hausierer aus dem Fichtelgebirge, der zwei Tage mit ihnen gezogen ist und von unserem Amtmann befragt wurde, dass der Mann von seiner Tochter begleitet wurde.«
»Kann der Hausierer der Mörder sein?«, fragte Just. »Von einem menschenfressenden Bären haben wir hier seit Generationen nichts mehr gehört, und einem Mann von hier traue ich eine so schreckliche Tat nicht zu.«
»Der Hausierer hat sich bereits vorher von ihnen getrennt und ist nach Rudolstadt weitergereist, während Vater und Tochter direkt nach Norden wandern wollten«, erklärte Tobias. »Einige behaupten sogar, es ginge nicht mit rechten Dingen zu, und der Teufel hätte seine Hand im Spiel. Selbst der Köhler Görch sagte, er hätte an einem der Tage, an denen die Tat geschehen sein musste, schreckliche Geräusche aus Richtung der Teufelsschlucht gehört, und die hätten nicht von dieser Welt stammen können. Er hätte so ein Grauen verspürt, dass er davongerannt wäre. Dabei ist er ein hartgesottener Kerl, der als einziger Köhler seinen Meiler immer wieder recht nahe an dieser angeblich verfluchten Stelle errichtet.«
Tobias war anzumerken, dass er nicht daran glaubte, übernatürliche Kräfte seien für den Tod des Wanderers und das Verschwinden der Tochter verantwortlich. Doch auch er hatte keine Erklärung und wandte sich daher seinem Eintopf zu. Während er aß, beschäftigten seine Gedanken sich weniger mit dem schrecklichen Geschehen im Wald als vielmehr damit, was aus Klara und deren Familie werden sollte.
9.
D ie Entfernung zwischen Katzhütte und Königsee betrug nur wenig mehr als zwei Meilen. Alois Schneidt hätte daher an einem Tag durchaus hingehen und wieder zurückkehren können. Er blieb jedoch zu lange im Wirtshaus sitzen und erzählte den staunenden Zechern von seiner Wanderung durch für sie unbekannte Lande wie die Fürstbistümer Bamberg, Würzburg und Mainz, die Markgrafschaften Bayreuth und Baden sowie einige andere Gebiete im Reich. Dabei stellten die Gäste mancherlei Fragen, und die bezogen sich zumeist auf Schneidts Bruder und seinen Neffen, deren Verschwinden viel Aufsehen erregte.
»Was mit dem Martin passiert ist, kann ich nicht sagen«, erklärte Alois Schneidt scheinbar niedergeschlagen. »Auch von dem Jungen weiß ich kaum etwas. In der Gegend, in der er verschwunden ist, sollen Soldaten ausgehoben worden sein. Entweder hat er sich freiwillig angeschlossen, oder man hat ihn in die Armee gepresst. Aber wie gesagt, das ist nur eine Annahme von mir. Es muss nicht stimmen.«
Tatsächlich hatte Alois Schneidt sich bewusst dazu entschlossen, diese Geschichte unters Volk zu bringen, weil sie das Verschwinden seines Neffen am besten erklärte. »Die Werbeoffiziere sind oft rabiat und nehmen wenig Rücksicht auf Pässe oder den Stand der Burschen, die sie in ihr Regiment zwingen. Man hat schon gehört, dass selbst Junker betrunken gemacht worden sind und sich hinterher bei den Musketieren wiedergefunden hätten«, setzte er hinzu und
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