Die Wanderapothekerin 1: Ein beherztes Mädchen (German Edition)
Stimme.
Johanna Schneidt starrte ihren Schwager entsetzt an. »Oh Gott, ist es so schlimm? Dabei dachte ich, er wäre ein mitleidiger Mensch!«
»Er ist wie die anderen, die nur auf ihren Vorteil bedacht sind«, fuhr Schneidt fort. »Schließlich, so seine Worte, hat er euch einen Teil der Arzneien für Gerold auf Kommission überlassen. Dieses Geld will er nicht in den Wind schreiben.«
»Ich werde Tag und Nacht arbeiten, um es abzuzahlen«, jammerte Klaras Mutter, obwohl sie nicht einmal wusste, wie sie die nächsten Steuern begleichen sollte.
Ihr Schwager baute sich vor ihr auf und zwang sich eine besorgte Miene auf. »Ich habe ihm das gesagt, doch ihm reicht das nicht. Er will euren Kräutergarten auf sich schreiben lassen und einen seiner Verwandten in eurem Haus einquartieren. Der Neffe soll auch euer Privileg als Wanderapotheker erhalten. Ihr könntet in eine kleine Kate ziehen, so es eine gibt, oder werdet euch eine andere Unterkunft suchen müssen.«
Zufrieden dachte Alois Schneidt, dass er nicht einmal log. Er verdrehte nur Justs Worte nach seinem Sinn und versetzte seine Schwägerin damit in eine solche Angst, dass diese sich schluchzend auf die Knie warf und die Arme gen Himmel reckte.
»Oh Gott und Herr, was habe ich getan, dass du mich so strafst?«, rief sie mit sich überschlagender Stimme.
Klara vernahm ihren Ausruf, obwohl sie mehr als hundert Schritte entfernt arbeitete. Erschrocken legte sie die Sichel beiseite, rannte zu ihrer Mutter hinab und nahm sie tröstend in die Arme. »Was ist geschehen?«
»Ich habe die Nachricht überbracht, die Just mir aufgetragen hat«, berichtete ihr Onkel und bemühte sich dabei, dem Mädchen nicht ins Gesicht zu sehen. Klara verfügte über einen scharfen Verstand, und er befürchtete, sie könnte sein falsches Spiel durchschauen. Daher überließ er es seiner Schwägerin, der Tochter zu berichten, was er als angeblichen Willen Rumold Justs ausgerichtet hatte.
»Aber das kann er nicht tun!«, rief Klara empört. »Unser Kräutergarten und das Haus sind weitaus mehr wert als die Schulden, die wir bei ihm haben.«
»Das hält ihn nicht davon ab, beides zu fordern«, erklärte Alois Schneidt mit schief gezogenem Mund. »Wie es aussieht, Schwägerin, werden wir beide noch heute reden müssen.«
Diese Bemerkung erinnerte Klara daran, dass sie am Abend vorher aus Sorge um Albert nicht daran gedacht hatte, die Mutter auf das Geheimnis anzusprechen, von dem sonst nur der Onkel wusste. Um zu verhindern, dass sich die Mutter auf etwas einließ, das ihr zum Schaden ausschlug, schüttelte sie den Kopf.
»Lass Mutter Zeit, ihre Trauer zu bewältigen! Danach kannst du kommen und mit ihr sprechen.«
Alois Schneidt wollte die Verzweiflung der Frau ausnützen. Daher schob er Klara kurzerhand beiseite und fasste Johanna Schneidt bei den Schultern. »Es bringt gar nichts, wenn wir zögern! Dann kommt höchstens der Amtmann und jagt dich und deine Kinder von Haus und Hof. Da ich nicht vier weitere Mäuler durchfüttern kann, müsstet ihr euch mit Betteln durchschlagen.«
»Eher gehe ich auf Tagelohn!«, rief Klara aus.
»Für ein junges Mädchen wie dich ist das ein hartes Brot. Nicht nur die Bauern, auch deren Söhne und Knechte würden dir unter den Rock greifen und mehr mit dir machen wollen. Wenn ihr euer Haus und euren Kräutergarten behalten wollt, muss deine Mutter auf mein Angebot eingehen. Sonst kann ich nichts mehr für euch tun!«
»Sei still, Klara!«, jammerte die Mutter. »Der Schwager meint es doch nur gut mit uns.«
»Dann wird er noch zwei oder drei Tage warten können, bis die erste Trauer um den Verlust des Bruders ein wenig gewichen ist.«
Klara war nicht bereit nachzugeben, zumal sie auf dem Gesicht des Onkels einen Zug entdeckte, der sie abstieß. Er erschien ihr allzu gierig, und daraus schloss sie, dass er von dem Ganzen am meisten zu profitieren hoffte.
»Du musst es mir sagen, Schwägerin!«, drängte Schneidt.
Mittlerweile hatte diese sich ein wenig gefasst und nickte. »Wir werden darüber reden! Doch lass mir wirklich ein paar Tage Zeit.«
»Damit ist nichts gewonnen!«, fuhr ihr Schwager auf.
Sein Ton wurde nun auch Klaras Mutter zu unverschämt. »Mein Mann wollte nicht, dass diese Sache aufkommt, und ich will sie nicht übers Knie brechen! Also warte, bis ich bereit bin, darüber zu reden.«
Am liebsten hätte Alois Schneidt die widerspenstige Frau gepackt und geschüttelt, bis sie ihm das Versteck des Goldes verriet. Doch wenn
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