Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
werde es ihr raten«, versprach Alois Schneidt mit schief gezogenem Gesicht. In seinen Augen war Just viel zu gutmütig, doch er wusste, dass er dessen Angebot an seine Schwägerin weiterleiten musste. Allerdings konnte er den Tonfall ein wenig verändern, so dass er zwar nicht die Unwahrheit sagte, aber die Botschaft sich anders anhörte, als Just es meinte.
»Da ist noch etwas«, sprach er weiter. »Ihr werdet einen neuen Wanderapotheker brauchen, der die Strecke abgeht, die mein Bruder bis jetzt bedient hat.«
Just nickte unglücklich. »Ja, den brauche ich! Einen so guten wie deinen Bruder werde ich wohl nicht mehr finden. Ich kann nicht glauben, dass er aus freien Stücken fortgeblieben ist. Entweder hat man ihn zu den Soldaten gezwungen, oder ihm ist etwas zugestoßen.«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Schneidt. »Doch noch einmal zu einem neuen Wanderapotheker. Ich wüsste da einen, der dafür in Frage kommt, den Fritz Kircher nämlich. Der ist eine ehrliche Haut und würde es nicht an Achtung Euch gegenüber fehlen lassen.«
… und auch nicht mir gegenüber, setzte er den Satz in Gedanken fort.
»Ich werde ihn mir ansehen.« Just klang nicht überzeugt, denn er war öfter in Katzhütte gewesen und kannte die meisten, die dort lebten. Dabei war ihm Fritz Kircher nicht gerade als Bursche mit wachem Verstand erschienen. Ein Wanderapotheker brauchte einen regen Geist, denn er musste durch fremde Lande ziehen und durfte sich nicht von seinen Kunden betrügen lassen.
»Dann wollen wir abrechnen«, erklärte er und schlug die Seite seines Rechnungsbuchs auf, auf der die Waren verzeichnet waren, die Alois Schneidt auf seiner heurigen Strecke mitgenommen hatte, ohne sie gleich bezahlen zu können.
Klaras Onkel starrte auf die Summe, die dort stand, und keuchte. »Ist es wirklich so viel?«
»Es ist nicht mehr als letztes Jahr. Nur die Pferdesalbe ist hinzugekommen, weil du meintest, du hättest einen Abnehmer dafür«, antwortete Just verwundert.
»Ja, den hatte ich!« Alois Schneidt versuchte, die einzelnen Summen zusammenzurechnen, in der Hoffnung, Just hätte einen Fehler begangen. Doch die Summe stimmte, und er erinnerte sich nun, dass er im letzten Jahr bis auf ein paar Taler für jene Salbe das Gleiche hatte zahlen müssen. Damals war es ihm jedoch leichtgefallen, weil er den Verdienst seines Bruders bei sich gehabt hatte. Diesmal aber hatten die langsame Rückreise und der Aufenthalt in den Wirtshäusern ihm mehr Geld aus der Tasche gezogen, als ihm nun lieb war.
Ächzend zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche und begann, Taler für Taler abzuzählen. Zweimal wies Just eine Münze zurück, weil ein Teil des Randes fehlte und sie daher einen geringeren Wert besaß. Es gelang Schneidt jedoch, die Summe zusammenzubringen. Ihm blieb sogar noch Geld übrig, doch das reichte nur für ein eher mageres Leben im Winter.
»Eigentlich müsste die Schwägerin mir das Geld ersetzen, das ich auf der Suche nach ihrem Sohn verbraucht habe«, entfuhr ihm unbewusst.
Just musterte ihn mit einem Ausdruck der Verachtung. »Was bist du nur für ein Verwandter, Schneidt? Willst dem Leid deiner Schwägerin auch noch eine solche Forderung hinzufügen? Hier, behalte das! Aber wehe, ich muss hören, dass du die Frau deines Bruders in irgendeiner Form bedrängt hast.«
Damit schob er Alois Schneidt mehrere Taler hin, die dieser umgehend an sich nahm und in seinen Beutel steckte.
»Hast du die Kräuter mitgebracht, die dein Weib und deine Tochter übers Jahr gesammelt haben?«, fragte er dann.
»Das habe ich in der ganzen Aufregung um das Verschwinden meines Neffen vergessen«, antwortete Schneidt. »Ich werde sie nächste Woche bringen«, setzte er hinzu und hoffte, dass seine Frau wenigstens so viel an Kräutern nach Hause gebracht hatte, dass sich der Weg nach Königsee lohnte.
»Tu das!« Just notierte, dass Alois Schneidt seine im Frühjahr empfangene Ware bezahlt hätte, und schlug das Rechnungsbuch zu.
»Dann guten Tag noch!«, sagte er und blickte zur Tür.
»Guten Tag«, murmelte Alois Schneidt und verließ mit unterdrücktem Zorn den Raum.
Solange er zusammen mit seinem Bruder zu Just gekommen war, hatte dieser ihnen stets einen Trunk Beerenwein angeboten und oft auch noch eine geräucherte Leberwurst und ein Stück Brot. Daher kränkte es ihn, entlassen worden zu sein wie ein fauler Knecht.
Draußen ballte er die Faust. »Bald bin ich so reich wie du, Just, und kann mich Laborant nennen. Dann wirst du
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