Die Wanderapothekerin: Alle Teile des Serials in einem Band (German Edition)
entfuhr es Alois Schneidt.
»Nichts leichter als das! Melde Er sich beim Amtmann in Königsee als Treiber. Wir werden den Wald durchkämmen, bis wir das Mädchen gefunden oder in Erfahrung gebracht haben, was mit ihm geschehen ist.« Nach diesen Worten trieb der Jäger sein Pferd an und ließ Alois Schneidt rasch hinter sich zurück.
Dieser sah ihm nach und spie dann aus. »Das könnte dir so passen! Selbst wenn es nur ein Bär ist, bleibe ich lieber zu Hause und lasse mir hinterher erzählen, wie er erlegt worden ist. Mit dem Teufel will ich gleich gar nichts zu tun haben.«
Bei diesen Worten schauderte es Schneidt, denn er sah seinen toten Bruder vor sich und musste auch an seinen Neffen denken. Dabei war ihm, als wolle sich der Boden zu seinen Füßen öffnen und der Teufel ihn in die Tiefe ziehen. Rasch schüttelte er die Vorstellung ab und schritt hastig weiter.
Eine Stunde später erreichte er Königsee, den Sitz eines der Ämter, die unter der Herrschaft des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt standen, und näherte sich kurz darauf dem stattlichen Haus des Laboranten Rumold Just. Der Neid packte ihn, als er das zweistöckige Gebäude mit dem hohen Dach betrachtete, das aus dicken, schnurgeraden Balken als Leiterfachwerk errichtet worden war, wie es sich nur reiche Leute leisten konnten. Zwar wurde ein Teil des großen Hauses für die Erzeugung der Öle, Salben und Essenzen benötigt, die Just an die Apotheker der Umgebung lieferte und im ganzen Land durch seine Wanderapotheker verkaufen ließ, dennoch verfügte sein Heim über eine große Anzahl an Kammern sowie eine repräsentative Stube, die Alois Schneidt noch nie hatte betreten dürfen.
Auch an diesem Tag empfing ihn der Laborant in seinem Kontor, einem schlichten Raum mit einem wuchtigen Tisch, einem Schrank mit den Geschäftsbüchern und einer großen Landkarte an der Wand, auf der die Strecken seiner Wanderapotheker farbig eingezeichnet waren. Just saß auf einem Stuhl mit einer hohen, verzierten Lehne. Zwei einfachere Stühle standen an der Wand, doch der Laborant dachte nicht daran, seinem Besucher einen davon anzubieten.
»Grüß dich, Schneidt! Du kommst heuer spät«, sagte er nicht gerade freundlich.
Alois Schneidt atmete tief durch, um seinen Ärger zu überwinden. »Ich wäre früher gekommen, Herr Just, wenn mir nicht der Neffe Sorgen bereitet hätte. Ist einfach verschwunden, der Bursche! Ich konnte ihn trotz allen Suchens nicht finden.«
»Was sagst du da?«, fragte Just erschrocken.
»Ich hatte Euch letztes Jahr schon gewarnt, dass der Junge nicht durchhalten wird! Erinnert Ihr Euch? Ist wohl irgendwann auf Soldaten gestoßen und mit ihnen gelaufen, da ihm das Leben dort leichter dünkt, als mit dem schweren Reff auf dem Rücken durch die Lande zu ziehen.«
»Das hätte ich von Gerold nicht erwartet. Er schien mir ein braver Bursche zu sein.« Just seufzte und sah Schneidt fragend an. »Dann wird es wohl heuer nichts mit dem Zahlen?«
»Die Schwägerin ist ganz verzweifelt, weil ihr nach dem Mann jetzt auch noch der Sohn davongelaufen ist«, erklärte Schneidt. »Ist aber auch übel! Sie schindet sich die ganze Zeit ab und steht trotzdem mit leeren Händen da.«
»Im letzten Jahr habe ich ihr für die Waren, die ihr Sohn mitnehmen wollte, einen guten Preis gemacht und einen Teil sogar auf die eigene Kappe genommen. Aber ich will einer armen Frau, die jetzt allein im Leben steht, nicht auch noch die Luft zum Atmen nehmen.« Just dachte nach, murmelte mal das eine, mal das andere Wort und schlug dann sein Rechnungsbuch auf.
»Das ist eine verdammt üble Sache, Schneidt. Es wird mir nicht leichtfallen, eine gerechte Lösung zu finden. Eigentlich müsste ich zum Amtmann und deine Schwägerin verklagen. Doch wenn ich das tue, verliert sie Haus und Hof. Dabei ist sie meine beste Kräutersammlerin, und das soll sie auch bleiben.«
»Wenn die Schwägerin die Steuern nicht zahlen kann, wird sie das Recht verlieren, im Wald Kräuter zu sammeln«, wandte Alois Schneidt ein.
»Diese Gunst kann ich ihr erhalten. Ich kenne einige Herren am Hofe des Fürsten, die mir gerne dabei helfen werden«, fuhr Just fort. »Die Steuer ist jedoch ein schwieriges Ding. Vielleicht sollte deine Schwägerin ihr jetziges Haus verlassen und in ein kleineres umziehen, das weniger Steuern kostet. Sag ihr das! Es wäre gewiss in ihrem Sinne, wenn sie und ihre Kinder nicht heimatlos werden, sondern mit ihrer Hände Arbeit ihr Brot verdienen können.«
»Ich
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