Die Wedding-Planerin
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|5| Um es vorwegzunehmen: Es ist meine letzte Hochzeit – meine allerletzte. Auf allen folgenden Feiern werde ich nur noch Gast
sein, essen, feiern und Spaß haben. Ich werde keine Kleider aussuchen, keine aufgeregten Mütter mit Aufgaben betrauen,
damit sie sich einbezogen fühlen, und keine Spiele mehr abblocken. Und auf gar keinen Fall werde ich noch eine einzige Hochzeitstorte
backen.
Begonnen hat alles vor fünf Jahren: Ein befreundetes Paar bat mich, ihre Brautführerin 1 zu werden. Ihre Ansage klang locker: «Nichts Schlimmes, wir erwarten gar nichts von dir, keine Spiele oder Überraschungen, nur ein bisschen Hilfe.» Alles klar, das sollte zu schaffen sein. Nach der Hochzeit kannte ich jeden
Brautmodenladen zwischen Elbe und Weser samt Kollektionen aus Paris, London und Mailand, war zur Diplomatin ausgebildet
und hätte mit meiner selbstgebackenen Hochzeitstorte glatt die Meisterprüfung als Konditorin ablegen können: ein Traum in
unschuldigem |6| Weiß, gefüllt mit fettiger Buttercreme in drei Geschmacksrichtungen – für jede Etage eine andere –, garniert mit gezuckerten Rosen. Seither bin ich für meine Freunde das, was Frank für
Sarah und Marc in Love
war: Wedding-Planer. Nur weniger medienwirksam. Selbst wenn ich keine offizielle Funktion habe, dekoriere ich plötzlich die
Kirche, organisiere den Transport der Gäste vom Saal zum Hotel und plane Überraschungen.
Niemand außer dem Brautpaar selbst und vielleicht einigen sehr guten Freunden können diesen wichtigen Tag vorbereiten und
mit Leben füllen. Daher ist es mir bisher auch schwergefallen, ein echtes Nein zu finden – die Arbeit hat durchaus ihren
Reiz und macht sehr viel Spaß. Und daher sage ich noch ein einziges Mal ja. Zu meiner besten Freundin Lena. Ja, ich werde
deine Trauzeugin. Ja, ich werde dir neun Monate während der Vorbereitungen zur Seite stehen und dich auf den Weg zum Traualtar
begleiten.
Und zu allen anderen sage ich laut und deutlich: Nein, ich werde nie wieder Trauzeugin oder Brautführerin sein, fragt jemand
anderen. Danke.
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|7|
Donnerstag, 1. August
Stimmung: überrascht
Sound: Kneipe
Thema des Tages: Ja-Sagen
Lena hat mir gerade erzählt, dass sie heiraten wird. Das ist keine echte Überraschung. Sie und Karl sind immerhin seit zehn
Jahren zusammen. Dennoch war der Moment ergreifend. Sie erzählte von ihrem Urlaub und dem dort gemeinsam gefassten Beschluss,
sich das Jawort zu geben. Ich kann es trotzdem kaum fassen, dass sie es nun tun und sich im wahrsten Sinn des Wortes trauen
werden. In meiner Aufregung brabbele ich vor mich hin und merke kaum, dass Lena etwas sagen will. Ich halte mal lieber meine
Klappe, das hier ist ihr Film, nicht meiner.
«Na ja, ich wollte dich fragen», setzt sie an und fährt fort «also nur, wenn das geht … vorausgesetzt, du hast wirklich Lust dazu», tiefes Einatmen, «wirst du meine Trauzeugin?»
Ich pruste den gerade genommenen Schluck Bier über den Tisch und muss husten. Gedanken rasen durch meinen Kopf, während ich
versuche, eine passende Antwort zu formulieren. Lena, meine beste Freundin, nur 27 Tage jünger als ich und immer an meiner Seite, wird heiraten, und ich soll ihre Ehe bezeugen.
Lena sitzt vor mir und sieht mich erwartungsvoll an. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Noch steht sie nicht
vor dem Traualtar, und ich kann schließlich nicht ab jetzt bei jeder Gelegenheit weinen, wenn es um das Thema geht. Nach
einem weiteren Schluck Bier kann ich ihr die einzig richtige Antwort geben: «Ja, Lena, natürlich werde ich deine Trauzeugin.»
Darauf stoßen wir an und trinken auf eine tolle Zeit.
|8| Diese Frage überwältigt mich jedes Mal wieder. Alle Bedenken und alle Coolness in Bezug aufs Heiraten verschwinden. Ich gebe
es ja zu: Es rührt mich und schmeichelt mir. Den schönsten Tag im Leben zweier mir lieben Menschen so nah mitzuerleben und
mitgestalten zu dürfen, ist eine Ehre und ein Vertrauensbeweis. Ich werde immer ganz aufgeregt, und in meinem Kopf sammeln
sich die ersten Ideen und Bilder. Lena und Karl im Standesamt, dann vor dem Altar, sich die Ringe überstreifend, dann küssen
sie sich und … STOPP! Erst anhören, was die Braut dazu zu sagen hat, bevor man die eigenen Träume und Vorstellungen, die Hollywood-Phantasien
aus den vielen Filmen, anderen überstreift – das habe ich in den letzten vier Jahren gelernt.
Die Braut
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