Die Wedding-Planerin
frohe Kunde selbst in die Welt zu tragen. Dennoch würde sie gern vermeiden, dass ihre Eltern und zukünftigen
Schwiegereltern die Nachricht über den Dorffunk zugetragen bekommen. Das kann ich verstehen und halte daher still.
|11| Also bleibt für mein Redebedürfnis derzeit nur einer: mein Freund Andreas. Dem habe ich direkt nach dem Treffen mit Lena,
nachts um halb eins und mitten in der Woche, eine SMS geschrieben: «Andreas, tolle Neuigkeiten – bleib wach, bin gleich
da.» Kaum zu Hause angekommen, sprudelten die Informationen nur so aus mir raus – in der Hektik schaffte ich es nicht ganz,
alles in der richtigen Reihenfolge von meinem Hirn über meinen Mund zu meinem verdatterten Freund zu transportieren.
«Mai … Lena … weiß noch keiner … was ich wohl anziehen soll … und ob wir ein Dings für sie finden? … zu Hause … auf jeden Fall hier.» Andreas guckte wie ein Auto und verstand offenbar nur Bahnhof.
«Liebste, jetzt mal der Reihe nach – wer, was, wann, wie, wo und warum?»
Oh, immer diese Journalisten!
«Ich will dir kein Interview geben, ich will dir erzählen, dass Lena heiratet. Und ich Trauzeugin werde und ganz aufgeregt
bin, und ich eine tolle Hochzeit organisieren muss. Wo bekomme ich denn hier in Hamburg einen guten Floristen her? Die Torte
muss ich nicht backen, aber gut aussehen, und wir wollen die Party ihres Lebens feiern», brachte ich meinen Freund auf
den aktuellen Stand der Dinge.
Und wie reagierte der? «Schön», und wandte sich wieder dem Fernseher zu. Schön? Schön ist die kleine Schwester von «Lass
mich in Ruhe». Kann ja wohl nicht wahr sein! Mit der Fernbedienung bewaffnet, drohte ich ihm: «Andreas, stell sofort Fragen!»
Seufzend wandte er sich mir zu – er kennt das schon: Wenn ich Mitteilungsdrang habe, lasse ich ihn sowieso nicht in Ruhe,
bis alle Gedanken gedacht und alle Worte verbraucht sind. «O. k., schieß los.»
Aufgeregt begann ich, ihm den Abend und unser Gespräch detailliert wiederzugeben. Dass er morgen nicht mehr ein Wort davon
wissen würde, war mir egal – hier ging es um meine Nachtruhe. |12| Ich kann erst schlafen, wenn ich alles einmal laut ausgesprochen habe.
Etwa eine Stunde lang redete und plante ich so vor mich hin. Andreas riet mir davon ab, jetzt sofort mitten in der Nacht
eine Google-Recherche über die aktuelle Brautmode zu starten. Auch nicht, um mich nur ganz kurz auf den aktuellen Stand zu
bringen (immerhin ist mein Stand der Dinge bereits ein Jahr alt – in der Zeit wird viel Neues entworfen und produziert). Auch
wollte er mich nicht zur Nachttankstelle einen Stadtteil weiter begleiten, um mal kurz nachzusehen, ob die Hochzeits-Hochglanzmagazine
verkaufen. Meine Idee, gleich morgen mal einen Termin zum Probefrisieren bei dem tollen neuen Friseur zu vereinbaren, empfand
er darüber hinaus als verfrüht. Überhaupt hatte er trotz einiger Hochzeitserfahrungen an meiner Seite noch nicht ganz verstanden,
warum es notwendig sein sollte, sich fast ein Jahr vor dem Termin mit der Sache zu beschäftigen. Geduldig setzte ich ihm
auseinander, dass Entscheidungen – vor allem so lebenswichtige, wie die rund ums Heiraten – Zeit zum Reifen brauchen, dass zudem Gastronome und Brautmodenverkäuferinnen einen nur milde belächeln, wenn man später
als sieben Monate vor dem Termin ihre Dienste anfragt.
Schließlich und endlich konnte auch ich nicht mehr. Am nächsten Tag musste ich immerhin arbeiten. Ich träumte wirres Zeug
und wachte am nächsten Morgen mit dem Gedanken auf, dass etwas Schönes auf uns zukam. Beim Frühstück fragte mich Andreas,
warum eigentlich immer ich diejenige sein müsse, die Hochzeiten organisiert. In diesem Fall würde er die Nähe zu Lena durchaus
verstehen und die Entscheidung unterstützen, aber er würde außer mir niemanden kennen, der jedes Jahr so viele Feiern auf
dem Zettel hätte.
Diese Ansage brachte mich ins Grübeln: Was ist es, das mich immer wieder ein Amt übernehmen lässt? Die Frage schleppte ich
ein paar Tage mit mir herum. Wenn man den psychologischen |13| Wissenschaften glauben kann, werden bereits im frühen Kindesalter die Weichen für unser Verhalten als Erwachsene gestellt.
Diese Annahme könnte erklären, warum ich immer wieder mit Freude Ämter für Hochzeiten annehme. Lange war es in meinem Unterbewusstsein
verschüttet, doch spülte der folgende trübe Sonntagnachmittag die Erinnerungen an die Oberfläche
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